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Da Soft Skills aber einen sehr individuellen Charakter haben, bedarf es auch einer individuellen Entwicklung – genau hier setzt Coaching an. Im Interview verrät Alexander Brungs, Vorstandsmitglied des Deutschen Coaching Verbands e. V., worauf es bei einem guten Coaching ankommt und was das überhaupt bringt.
Ein Blick auf den Arbeitsalltag vieler Manager zeigt, dass dieser zu großen Teilen von der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen bestimmt ist – also Fähigkeiten erfordert, die allgemein zu den sogenannten „Soft Skills“ gezählt werden. Aber auch auf anderen Hierarchieebenen spielen diese „Soft Skills“ eine wichtige Rolle.
Das wird vor allem deutlich, wenn wir uns gängige Zukunftsszenarien ansehen. Durch Entwicklungen wie die umfassende Digitalisierung vieler Wertschöpfungsprozesse wird die Bedeutung von „Soft Skills“ für die menschliche Arbeit zukünftig deutlich ansteigen. Maschinen übernehmen immer mehr Tätigkeiten, doch eben solche, die sinnvoll automatisierbar sind, also im Wesentlichen jene, die unter das Label „Hard Skills“ fallen. Was dem Menschen bleibt, sind das Steuern der Maschinen und die „Soft Skills“.
Die Sichtweise wird erweitert
Was macht eigentlich ein Coach?
Eine der Kernaufgaben von Coaches besteht darin, die jeweils thematisierte Situation des Klienten für diesen neu zu erschließen über eine echte Außenperspektive, die nicht durch Interessen jenseits des Coachingvertrages berührt wird.
Was ich damit meine, lässt sich im Vergleich mit „gutem Rat“ von Freunden oder Kollegen veranschaulichen: Diese sind nämlich immer selbst Teil derjenigen Zusammenhänge, in denen der Klient sich befindet, sind dort also mit Eigeninteressen involviert und können so keinen neutralen oder objektiven Rat geben. Der Coach hingegen führt ein ausschließlich professionell fundiertes Gespräch, in welchem er zusammen mit der Klientin Perspektiven und Hintergründe durchdenkt.
Dabei helfen Coaches aber nicht Karrieren „auf die Sprünge“ – das machen die Klienten immer selbst. Ein Coach kann seine Klienten aber dabei unterstützen, sich selbst „auf die Sprünge zu helfen“, indem er ihnen neue Perspektiven eröffnet und bislang ungenutzte Zugänge zu ihren eigenen Ressourcen zeigt.
Was sind die Risiken und Nebenwirkungen beim Coaching?
Um erst einmal allgemein zu beginnen: Coaching wird – dazu ist es schließlich da – etwas verändern. Und jede Veränderung bringt nicht nur genau die Resultate mit sich, die beabsichtigt waren, sondern führt auch an anderen Stellen zu Veränderungen. Das ist dann eine Nebenwirkung von Coaching.
So etwa im Fall eines Klienten, der mehr Selbstbewusstsein erlangen will. Sobald erste Fortschritte zu spüren sind, reagieren auch die Mitmenschen darauf. Die Folge? Es gibt plötzlich Streit, den es vorher nicht gab, weil der Klient jetzt selbstbewusster auftritt – was er ja auch wollte.
Das darf aber keinesfalls als Misserfolg eines Coachings gewertet werden, sondern sollte als Möglichkeit vorher bedacht werden. Ein guter Coach macht darauf schon zu Beginn einer Zusammenarbeit aufmerksam.
An Risikengibt es prinzipiell zwei Typen: Zum einen können Klienten in eine Art Abhängigkeit geraten – sie sehen sich dann nicht mehr in der Lage, ohne die Hilfe ihres Coaches zu agieren. Professionelle Coaches werden eine von ihnen bemerkte entsprechende Entwicklung frühzeitig thematisieren und gegensteuern. Das zweite klassische Risiko besteht darin, dass Dinge ausgesprochen werden, die bislang im Unterbewusstsein der Klientin verborgen lagen und erst während des Coachingprozesses zutage treten. Dies kann im Extremfall zu Problemen führen, die professionell, also von ausgewiesenen Psychotherapeuten behandelt werden müssen.
Deswegen ist es wichtig: Suchen Sie sich einen qualifizierten Coach. Legen Sie Wert auf ein Zertifikat eines seriösen Verbands, prüfen Sie, ob der Werdegang des Coaches für Sie vertrauenswürdig ist und holen Sie Empfehlungen ein. Tipps, wie sie einen guten Coach finden können, erhalten Sie auf der Homepage des DCV e.V.
Veränderungen als neue Chance betrachten
Wie kann ein Coach einem Ingenieur in unterschiedlichen Lebens- und Karrierephasen helfen?
Das ist nicht ingenieursspezifisch, aber grundsätzlich lassen sich viele Bedürfnisse der Klienten grob nach den verschiedenen Lebenslagen unterscheiden. So sind Studenten oft auf der Suche nach einer realistischen Einschätzung ihrer aktuellen Lebenssituation oder nach einer Unterstützung bei der Selbstorganisation.
Bei Berufseinsteigern treten dann andere Fragestellungen in den Vordergrund, beispielsweise nach dem Finden geeigneter Positionen im Unternehmen, die es erlauben, eigene Interessen voranzubringen, ohne dabei jemand anderem auf die Füße zu treten.
Für Berufserfahrene wiederum sind Themen interessant wie zum Beispiel „Wie bekomme ich die Fähigkeiten, zum Wohle aller ein Team zu leiten?“ oder „Wie agiere ich in komplexen Systemen, die viele unterschiedliche, vielleicht sogar gegensätzliche, Motiv- und Interessenlagen umfassen?“.
Woran erkenne ich, dass ich einen Coach brauche? Welche „Symptome“ sind zu beobachten?
Wenn z.B. die Gedanken immer wieder um die gleichen Fragen kreisen oder Sie auf drängende Fragen immer nur die gleichen Antworten finden, die Sie aber nicht weiterbringen, dann ist ein guter Zeitpunkt für ein Coaching. In diesem Fall kann ein Coach einen professionellen Rahmen für einen Perspektivwechsel bieten.
Gibt es branchentypische „Baustellen“/ wahre Klischees, auf die Sie als Coach besonders eingehen? (Beispiel: Sind Ingenieure introvertierter als Vertreter anderer Berufsgruppen, weil sie eher zahlenfokussiert sind? Was sind Ihre Erfahrungen?)
Klischees kann ich nicht bestätigen. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass Ingenieure häufig verinnerlicht haben, stets das technisch Bestmögliche erreichen zu wollen – das kann zu Problemen führen.
Mit gutem Grund werden unsere Ingenieurinnen und Ingenieure gerade auch für dieses Streben nach Perfektion hoch geschätzt. Dennoch ist die technisch beste Lösung nicht immer die allgemein beste Lösung. So müssen z.B. auch ökonomische oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Das führt manchmal zu Spannungen zwischen verschiedenen Abteilungen im Unternehmen.
Ich will nicht darauf hinaus, dass sich Ingenieure die Orientierung am technischen Ideal „abtrainieren“ sollten. Ich möchte ins Bewusstsein rufen, dass dieses Ideal nicht der einzige Maßstab für die Bewertung von Produkten und ihren Herstellungszusammenhängen sein kann – es gibt immer mehrere Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt.
Coaching ist immer individuell
Welches Problem/ welche Einstellungen oder Eigenschaften, an denen man arbeiten muss, begegnen Ihnen beim Coaching besonders häufig?
Pauschal kann ich das gar nicht sagen, da die Problemlagen sehr vielfältig sind. Was ich aber sagen kann: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass letzten Endes auch etwas anderes in den Fokus geraten wird, als der Klient zunächst glaubt.
Häufig geht es darum, welche Erwartungen andere an die Klientin haben, welche Erwartungen die Klientin an sich selbst hat und wie diese in Relation zueinander stehen. Solche Zusammenhänge werden oft unterschätzt. Im Coaching ergründen wir dann gemeinsam, was die Klienten selbst anstreben, warum sie das wollen, was sie können und wie das mit anderen zusammenhängt.
Gibt es „kleine Übungen“, ähnlich einem kleinen Training am Schreibtisch, um Alltagssituationen im Büro besser meistern zu können?
Werfen Sie alle Leitfäden weg, die Ihnen sagen „Wenn ich Regel xy befolge, werde ich ein erfolgreicher/ schlanker/ toller Mensch“. Alles weg. Es gibt nicht das Schema X, dem man in allen Fällen folgen sollte.
Wenn ich von etwas ganz pauschal sagen müsste, dass es vielen Menschen unter verschiedensten Bedingungen hilfreich sein kann, wäre es wohl eine routiniert abrufbare Fähigkeit, sich kurz ganz bewusst auf sich selbst konzentrieren und sowohl geistig wie auch körperlich von der Umgebung distanzieren zu können. Meiner Erfahrung nach bewährt sich hier gut die Technik der kontrollierten (Tiefen-)Atmung. Achten Sie auf Ihre Atmung! Viele Menschen profitieren davon, wenn sie sich aus einer Situation kurz herausnehmen, zur Ruhe kommen können und sich völlig auf sich selbst konzentrieren. Dies gelingt ganz gut, indem man ein paar ruhige, tiefe Brust- und Bauchatemzüge macht. Doch es muss natürlich regelmäßig geübt werden, damit es verlässlich auch in Situationen gelingt, die etwas angespannter sind.
Aber wie gesagt: Es gibt kein Schema, das auf alle Menschen passt. So wird es auch Personen geben, die mit Atemübungen gar nichts anfangen können. Das muss jeder für sich selbst rausfinden. Manchmal gelingt das alleine. Und manchmal hilft eben ein vom Coach unterstützter Perspektivwechsel, um den für sich richtigen Weg zu erkennen.
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