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Bild: ESB Professional/Shutterstock.com
VDI Mitgliedschaft Nachwuchsförderung

Mitgliederporträt: Dr. Norman PohlTechnikgeschichtler mit Leib und Seele

Chemie, chemische Verfahrenstechnik, Geschichte der Naturwissenschaften – der Weg zur Technikgeschichte ist alles andere als gradlinig. Aber heute möchte Norman Pohl nichts anderes mehr machen: Lesen, Dozieren, und immer wieder neue, spannende Einblicke in die Vergangenheit gewinnen.

Pohl hat sein Hobby zum Beruf gemacht, mit und für den VDI: Als der bekennende Langzeitstudent 1991 in den VDI eintritt, weiß er die großherzige Willkommenskultur des Vereins zu schätzen: Sie fragt nicht, was und wie lange schon studiert wird, denn solange es einen technischen Bezug gibt ist alles tipptopp.

Norman Pohl liest von Anfang an mit Begeisterung nicht nur die VDI nachrichten, sondern auch die kostenlose Fachzeitschrift „CIT, Chemie – Ingenieur – Technik“, die Vorgängerausgabe der heutigen „CITplus“, durch die er die Entwicklungen im Bereich der chemischen Verfahrenstechnik weiterverfolgen kann. Die Entscheidung, vom Studium der Chemie und der chemischen Verfahrenstechnik hin zur Geschichte der Naturwissenschaften zu wechseln, fällt erst relativ spät. Bereits damals existiert das Thema „Technikgeschichte“ im VDI. Sollte das Einfluss auf seine Studienwahl gehabt haben?

Heiko Mell und die VDI nachrichten

Sein Diplom hat Norman Pohl in Chemiegeschichte mit einem chemiehistorischen Thema aus dem Bereich des Umweltschutzes gemacht, die Dissertation schreibt er zur „gutachterlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit der Preußischen Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene und der organoleptischen Prüfung von Immissionen“.

Ganz sicher beeinflusst hat ihn jedenfalls die Kolumne von Heiko Mell in den VDI nachrichten, die er in Zukunft gerne weiterhin in gedruckter Form lesen möchte: „Ich brauchte nur 'Ingenieur' durch 'Naturwissenschaftshistoriker' zu ersetzen und lernte aus den Fehlern anderer und wie man erst gar nicht in die Schwierigkeiten kommt, in die sich viele vor mir hineinmanövriert hatten“, erinnert sich Pohl. Heiko Mell und die VDI nachrichten haben entscheidenden Anteil daran, dass Norman Pohl seine Mitgliedschaft nie bereut hat.

Weil Pohl die Kolumne nicht nur über mehrereJahre hinweg liest, sondern auch die Grundsätze befolgt, ist er schließlich einer der wenigen, der zwei Planstellen im Bereich der Wissenschafts- und Technikgeschichte hintereinander bekommt: an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und danach an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg in Sachsen. Norman Pohl hat vom VDI unmittelbar profitiert und erweist sich dankbar, indem er selbst anfängt, sich im VDI zu engagieren – gemäß seiner Maxime: „Frage nicht, was der VDI für dich tun kann …“.

Trotz der beruflichen Affinität zu (technik-)historischen Themen ist Norman Pohl privat ein durch und durch fortschrittlich eingestellter Mensch: Er gehört im Januar 1992 zu einem der ersten Väter in Deutschland, die in Elternzeit gehen, und nimmt, zweimal verheiratet, in beiden Fällen den Geburtsnamen seiner Ehefrau an.

Bild: privat
Steckbrief
  • Geboren: in Frankfurt am Main
  • Studium: der Chemie und der Geschichte der Naturwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Hamburg mit dem Abschluss Dr.rer.nat.
  • Mitglied: seit 1991 (zweifach geehrt)
  • Im VDI: weil mich als damaliger Langzeitstudent die großherzige Willkommenskultur und das fachlich breite Angebot überzeugt haben
  • Besonderes Hobby: Lesen („Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht!“)

Technikgeschichte ist oft zu negativ geprägt

Obwohl er schon lange in Sachsen lebt, hört man seinen hessischen Heimatdialekt noch gut durch. Aber was hat ihn eigentlich nach Hamburg und später nach Sachsen verschlagen? „Von Frankfurt nach Hamburg bin ich noch der Liebe wegen gezogen, das bedingte neben dem Wechsel des Wohnorts auch den Wechsel der Universität. Parallel zur Endphase der Hamburger Zeit war ich dann schon drei Jahre in Cottbus – allerdings des Geldes wegen. Dann habe ich die Stelle an der TU Bergakademie in Freiberg bekommen, und netter Weise hat sich dann der Freistaat Sachsen dazu entschieden, mich zu entfristen“, schmunzelt Norman Pohl, „das ist jetzt 25 Jahre her“.

Im Westsächsischen Bezirksverein Chemnitz ist das Amt des Arbeitskreisleiters Technikgeschichte Mitte der 1990er-Jahre unbesetzt. Dann kommt Norman Pohl, und langsam, aber sicher entwickelt sich aus der One-Man-Show durch gelebte Interdisziplinarität ein ansehnliches Spektrum an Veranstaltungen und Aktionen rund um die Technikgeschichte – nicht ganz einfach in diesem bevölkerungsarmen Flächen-Bezirksverein rund um die Stadt Chemnitz.

Technische Neuerungen vermitteln

Darauf ist Norman Pohl zu Recht stolz, und er betont: „Hier in unserem Bezirksverein da hören wir einander zu und überlegen gemeinsam, was gut für den Verein ist. Und wenn etwas gut ist, dann wird es gemacht, volle Unterstützung inbegriffen. Das ist etwas, was den VDI auszeichnet!“ Eine Frage sei dabei immer: Wie können technische Neuerungen vermittelt werden? Hier helfe ab und an ein Blick in die Geschichte, um die zeitliche Dimension hinzuzuziehen.

Bedauerlich findet er, dass Technikgeschichte in der Vergangenheit viel zu oft von vermeintlicher Technikfeindlichkeit dominiert wird. Ein Beispiel: Eine Glashütte in Bamberg um das Jahr 1800 hatte einen derart großen Abgasausstoß, dass die Bewohner gegen diese Glashütte protestiert haben. Das war allerdings keine Technikfeindlichkeit, sondern nackter Überlebenskampf, weil den Menschen die Luft zum Atmen genommen wurde.

Digitalisierung und Nachwuchs

Am VDI schätzt Norman Pohl besonders die vielfältigen Möglichkeiten zur Mitgestaltung – von der Richtlinienerstellung bis hin zum Engagement in den Regionalorganisationen. „Der VDI sollte immer für eine Offenheit des technischen Weges eintreten, für Pluralität. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten. Die gilt es, aufzuzeigen.“

Für die Zukunft wünscht sich Norman Pohl eine geschärfte VDI-Position zum Prozess der Digitalisierung an Schulen. Hier würde aus seiner Sicht oftmals versäumt, was dann in den Universitäten mühevoll nachgeholt werden müsse: Die Grundlagen der Mathematik sicher und gefestigt zu vermitteln und erst dann zu lernen, was Digitalisierung überhaupt bedeute. Und das sei bei weitem nicht nur, den Computer anzuschalten oder das Smartphone bedienen zu können.

Als Vater von zwei Töchtern, die ältere steht als Ingenieurin ihre Frau, die jüngere geht gerade in die fünfte Klasse, hat er zum Thema Digitalisierung und Nachwuchs im Jahr 2019 ein berührendes Erlebnis: An einem Wochenende macht er einen Vater-Tochter-Ausflug zu einer VDIni-Veranstaltung in Chemnitz. Seine Tochter darf dort einen Roboter programmieren – natürlich altersgerecht. Norman Pohl appelliert: „Das ist etwas, was der VDI unter keinen Umständen lassen, sondern wo weiterhin gezielt Mittel bereitgestellt werden sollten.

Nichts begeistert junge Menschen so sehr für Technik, als wenn sie diese selbst zum Laufen bringen. Hier wird der Grundstein für Technikaffinität und Digitalisierung gelegt.“ Über seine beiden VDI-Ehrungen, die Ehrenplakette und die Ehrenmedaille habe er sich sehr gefreut, aber die VDIni-Aktion in Chemnitz wäre für ihn als Vater noch anregender gewesen.

Unsere Autorin

Alice Quack

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