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Herr Froese, stellen Sie sich bitte kurz in 140 Zeichen vor.
Ich bin Chemieingenieur, Geschäftsführer der atlan-tec Systems GmbH und Leiter des Richtlinienausschuss FA7.24 VDI/VDE-GMA.
Wie sind Sie zum VDI gekommen?
Seit circa 15 Jahren arbeite ich in verschiedenen Richtlinienausschüssen mit. Darauf bin ich gekommen, weil mich ein damaliger Arbeitskollege in einen Ausschuss für Kraftwerkstechnik eingeladen hat. Nun bin ich seit über zehn Jahren VDI-Mitglied und leite den Fachausschuss 7.24, bin daneben noch in anderen Ausschüssen aktiv und bin stellvertretender Vorsitzender des Fachbereichs 7 der GMA.
Woraus entsteht die Motivation für Ihr ehrenamtliches Engagement?
Ich arbeite in einem relativ neuen Gebiet – Digitalisierung und Big Data Analytics – und stelle fest, dass es hier am Markt sehr viel Unprofessionalität und Chaos gibt. Das ganze Bild der Industrie ähnelt eher einer Bastelbude, denn hier geht man systematisch vor. Die meisten Firmen haben überhaupt kein Konzept und auch keine echten Experten, obschon sie das von sich selbst glauben. Diesem Zustand möchte ich ein Ende setzen und den Stand der Technik mit Fachkollegen zusammen definieren. Das gibt der Industrie einen Benchmark, um die Qualität von internen und externen Lieferanten und Leistungen objektiv messen und verbessern zu können.
Richtlinienarbeit: konstruktiver Dialog mit anderen Experten
Gibt es etwas, das Sie aus ihrem Engagement bei Webinaren und Richtlinien für sich persönlich mitnehmen?
Die Webinare machen Spaß, da ja jeder Teilnehmer freiwillig seine Zeit dort investiert. Man fühlt sich unter Enthusiasten einfach wohl und spürt die Begeisterung. Außerdem helfen diese Veranstaltungen, auf wichtige Themen aufmerksam zu machen und bei Fachkollegen Denkprozesse anzustoßen. Die Richtlinienarbeit erlaubt einen sehr konstruktiven Dialog mit anderen Experten und gibt mir die Möglichkeit, eigene Anschauungen zu hinterfragen und mit qualifizierten Meinungen anderer Experten zu vergleichen. Die Ergebnisse geben eine große Befriedigung, da man sich gemeinsam zusammenfinden muss und aus sehr unterschiedlichen Perspektiven eine gemeinsame Perspektive erarbeitet. Das ist manchmal echt schwierig, ist aber, wenn es denn gelingt, auch sehr erfüllend und schafft bei allen Beteiligten große Klarheit.
Welches technische Thema treibt Sie besonders um?
Wir erleben gerade eine echte Revolution. Das Thema Industrie 4.0 bedeutet nicht nur Automatisierung und Erhöhung der Effizienz, sondern führt auch zu mehr Ordnung im Chaos. Viele Prozesse, die bisher aus dem Bauch heraus betrieben werden, werden datenbasiert durchleuchtet und lassen sich besser verstehen. Das spart am Ende viel Energie und andere Ressourcen, schont die Umwelt und schafft mehr Wertschöpfung. Um diese positiven Effekte zu erzeugen, bedarf es jedoch einer kompletten Veränderung des Mindsets und geradezu einer Revolution bei der Art, wie Herstellungsprozesse betrieben werden. Dazu muss man für Verständnis werben und Kompetenz vermitteln – auch für gesellschaftliche Themen. Die wesentliche Nachricht ist: Wir sollten uns nicht um ein paar Arbeitsplätze sorgen, wenn wir digitalisieren; wir sollten uns eher darum sorgen, dass komplette Branchen hier aus Deutschland verschwinden werden, wenn wir nicht schneller digitalisieren als die Wettbewerber aus Asien. Um das zu verstehen, bedarf es Wissen.
Die fachliche Qualität des Netzwerks ist besonders wichtig
Inwiefern spielt Netzwerken aus Ihrer Sicht eine wichtige Rolle für Ingenieurinnen und Ingenieure? Und welche Rolle spielt der VDI dabei?
In jedem Fall ist der VDI ein Booster für das Netzwerken! Es ergeben sich vor allem aus der Richtlinienarbeit sehr persönliche Kontakte zu Fachkollegen – auch zu Kollegen von Wettbewerbern. Dadurch erweitert sich das persönliche Netzwerk und man unterstützt und hilft sich gegenseitig. Gerade, weil man ja immer zum Konsens gezwungen ist, stellt sich ein sehr positives Mindset ein. Diese Verbindungen möchte ich nicht missen, denn sie sind wirklich bereichernd und motivierend. Gerade das Netzwerk zu Menschen mit einem vergleichbaren Qualifikationsniveau ist etwas, was man sonst im Alltag nirgendwo antreffen kann. Deshalb empfehle ich gerade Berufsanfängern den VDI sehr. Es gibt hier Möglichkeiten und Netzwerke, die man sonst nirgendwo auf diesem Level erhält.
Könnten Sie das für unsere Leser etwas genauer ausführen?
Nun, wenn man sich im VDI aktiv engagiert, beispielsweise in einem Fachausschuss, lernt man dort andere Experten kennen. Oft existiert in den Ausschüssen eine Duz-Kultur. Diese Art des Umgangs schweißt zusammen. Sucht man dann Partner oder Arbeitgeber, kann man auf diese persönlichen Bekanntschaften zurückgreifen. Man hat die Gelegenheit, sich bei Fachkollegen bekannt zu machen und sich positiv zu profilieren, gerade, wenn man Aufgaben übernimmt und diese dann im Fachgremium präsentiert.
Was wünschen Sie sich zukünftig für den VDI?
Etwas mehr Rückgrat! Es werden viele gesellschaftliche Themen adressiert, jedoch fehlt es an Deutlichkeit und „Kawumms“! Nehmen wir zum Beispiel Themen wie die Energiewende oder Elektroautos. Hier wird einfach die Sicht der Politik goutiert statt hartnäckig auf die ganzen Probleme hinzuweisen und auch eventuell andere Technologien wie Wasserstoffantrieb oder Kernenergie deutlich zu betonen. Der VDI sollte sich hier stärker positionieren, klar die Einhaltung seiner Richtlinien fordern und der Politik auch klare Ansagen machen – auch wenn der Politik das nicht gefallen mag.
Interview: Hanna Büddicker, Frank Magdans
Hinweise
Thomas Froese hat im Januar ein Webinar zum Thema „Digitale Zwillinge in der Energiewirtschaft“ (geschlossener Mitgliedsbereich) gegeben. Im Februar ist mit ihm als Gesprächspartner eine Podcast-Folge zum Aspekt „KI im Recruiting“ erschienen.
Und, Interesse an einer VDI-Mitgliedschaft? Hier finden sich alle Informationen.
Aber wozu eine Mitgliedschaft im VDI? Unser Präsident hat eine charmante Antwort!
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