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Der Fachbereich Wertanalyse/Value Management der VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessgestaltung (VDI-GPP) hat es sich zum Ziel gesetzt, unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, signifikante Fortschritte in Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen zu erreichen. In unserer Online-Reihe „Value Talks“ erleben die Teilnehmer aufschlussreiche Impulsvorträge und lebhafte Diskussionen.
Als Beispiel haben wir Stimmen derjenigen Personen gesammelt, die im Dezember am zweiten „Value Talks“ zum Thema Funktionenanalyse teilgenommen haben. Die dritte Veranstaltung der Reihe beschäftigt sich mit dem Thema Performance Pricing. Wer Lust hat, sich dazu auszutauschen, kann sich über den Link am Ende des Beitrags anmelden. Und hier zu den Ergebnissen:
Es gibt gute Gründe ...
Warum mache ich eine Funktionenanalyse?
Die Funktionen könnte zwar größtenteils auch eine Einzelperson analysieren, dies ist aber nicht sinnvoll. Alle Teammitglieder sollen das zu optimierende Objekt, sei es ein Produkt, ein Prozess oder eine Dienstleistung, umfänglich begreifen und die Wichtigkeit erkennen. Dabei ist der Weg das Ziel. Daher ist es unabdingbar, die Funktionenanalyse im gesamten, interdisziplinär besetzten Team durchzuführen. Denn nur so ist es möglich, weitere Sichtweisen zu gewinnen.
Mit der sich anschließenden Funktionenkostenanalyse bekommt man als Ergebnis auch direkt eine Struktur für das Projekt. Dadurch sieht man, an welcher Stelle angesetzt werden muss, wo der größte Hebel existiert. Als anschließender Schritt fügt sich die Ideenfindung an. Man kann sich also mit der Ausgestaltung beschäftigen.
Lässt sich das Tool auch als Kommunikationsmittel im Vertrieb einsetzen, um Produkte besser kennenzulernen?
Die Funktionenanalyse ist wunderbar geeignet, um das Produkt kennenzulernen – nicht nur im Vertrieb, sondern auch allgemein für neue Mitarbeiter. Damit ist eine Produktschulung manchmal sogar gar nicht mehr nötig.
Es gibt viele Anwendungsfelder ...
Wofür kann man die Ergebnisse einer Funktionenanalyse noch verwenden?
Die Ergebnisse der Funktionenanalyse bilden die Grundlage der Funktionenkostenanalyse. Darüber hinaus kann die Ideenfindung darauf aufbauen. Gerne wird die Funktionenanalyse auch im Wettbewerbsvergleich genutzt. Im Rahmen der Marktforschung lässt sich eine Produktklinik auf Basis der Funktionen aufsetzen: Wie löst der Wettbewerb bestimmte Funktionen? Welche Ideen nimmt man daraus mit? Allgemein lässt sich sagen, dass die Ergebnisse ein weiterführendes, strukturiertes Vorgehen zu Fragestellungen ermöglichen, die einem wichtig sind.
Inwiefern lässt sich die Funktionenanalyse auf Prozesse anwenden?
Das Vorgehen ist identisch: Das Team muss sich bei der Analyse von Prozessen fragen, was die Funktion eines jeden einzelnen Prozessschritts ist und dies gegebenenfalls anhand von Prozessbeschreibungen nachvollziehen (siehe auch Richtlinie VDI 2809 „Prozesse gestalten mit Wertanalyse“). Erfahrungsgemäß ist die Analyse von Prozessen häufig schwieriger, da man enger mit Menschen zusammenarbeitet und etwaige Widerstände womöglich größer sind.
Ausgesprochen wichtig ist, den Betriebsrat frühzeitig einzubinden und Entscheidungen vorsichtig vorzubereiten, insbesondere, wenn dadurch Personal betroffen ist. Die Funktionenanalyse kann dabei nicht nur der Einsparung, sondern je nach Situation auch der Stellensicherung dienen. In jedem Fall muss die Geschäftsleitung beachten, dass bei Mitarbeitern Ängste entstehen können. Deswegen sind die betroffenen Mitarbeiter frühzeitig mit ins Boot zu holen, und die strukturierte Vorgehensweise sollte transparent dargestellt werden.
Wie entsteht die Funktionenstruktur?
Sehr iterativ. Der Prozess der Erstellung der Funktionenstruktur und damit einhergehend das Verstehen und Kennenlernen des Produkts ist dabei ebenso entscheidend, wie der Blick auf die Aspekte, die aus Sicht des Kunden relevant sind.
Strukturen vereinfachen die Arbeit
Wie sieht der Funktionenbaum eines komplexen Objekts aus?
Das ist eine Frage der Flughöhe beziehungsweise des Detaillierungsgrads. Jedes Objekt ist beliebig detailliert beschreibbar. Oder anders ausgedrückt: Jedes extrem komplexe Objekt, wie etwa eine große Anlage, lässt sich auch durch eine überschaubare Anzahl von Funktionen darstellen. Die Vorgehensweise bei der Funktionenanalyse ist gut skalierbar. Es ist aber wichtig, dass ein Moderator dies steuert.
Kann ein und dieselbe Funktion an zwei Stellen in der Funktionenanalyse vorkommt?
Eigentlich nicht. Wenn das Team eine Funktion an zwei Stellen aufführen möchte, stellt sich die Frage, ob es sich wirklich um die identische Funktion handelt. In den meisten Fällen ist dies nicht der Fall. Die Funktion ist dann nur nicht genau beschrieben.
Wie können Geltungsfunktionen bewertet werden? Wie viel sind diese wert?
Die Funktionenanalyse objektiviert die Anforderungen. Erst in der anschließenden Funktionenkostenanalyse werden dem Gestalter jene Kosten zugeordnet, auf deren Basis diskutiert wird; etwa: Was ist mit Deko-Funktionen? Wie wird das bewertet? Will der Kunde das wirklich? Und wie viel ist er bereit, dafür zu zahlen? Zu beachten ist, dass nicht nur die Geltungsfunktionen subjektiv sein können, und unterschiedliche Kunden bewerten diese unterschiedlich.
Wie lassen sich bei hybriden Produkten oder solchen mit hohem Elektronikanteil Soll-Funktionen richtig abbilden?
Indem sie realistisch abgebildet werden. Auch bei hybriden Produkten respektive Produkten mit hohem Elektronikanteil muss man alle Soll-Funktionen korrekt aufzeigen und priorisieren. Das Ergebnis der anschließenden Funktionenkostenanalyse scheint oft ein verzerrtes Bild über die Soll-Funktionen zu liefern, da die Softwarekosten häufig zu niedrig erscheinen. Daher ist zu prüfen, ob diese tatsächlich richtig erfasst sind.
Wenn „echte“ Kosten angesetzt werden, sind diese auch gut zuzuordnen. Kosten von beispielsweise Platinen sind tatsächlich oft sehr gering, weisen aber einen hohen funktionalen Impact auf. Aus der Erfahrung der Teilnehmer macht es keinen Sinn, Korrekturfaktoren einzubauen, da die Realität betrachtet und keine politische Diskussion geführt werden soll.
Wann ist die Sammlung der Funktionen vollständig?
Wenn das Team entscheidet, dass die Sammlung der Funktionen abgeschlossen ist und den Mitgliedern keine weiteren Funktionen auffallen.
Die Funktionsanalyse ist vielseitig anwendbar
Was ist der Unterschied zwischen Funktionsanalyse in der Produktentwicklung und Funktionenanalyse im Rahmen eines Wertanalyseprojekts?
In der Produktentwicklung wird das Funktionieren des Objekts analysiert, zum Beispiel: „Erst wird der Schalter betätigt, damit stelle ich einen Kontakt her, dann fließt der Strom, …“. In der Wertanalyse untersucht man die Funktionen eines Objekts nur auf Basis der Fragen „Wie?“ und „Warum?“. Zeitliche Zusammenhänge spielen dabei keine Rolle.
Wie unterscheiden sich Funktionenanalyse und System-FMEA? Wann soll die eine, wann die andere durchgeführt werden?
Ziel der FMEA ist es vor allem, Risiken aufzudecken und dafür Lösungen zu finden. Die Funktionenanalyse ist hingegen integraler Bestandteil der Wertanalyse. Die in der Funktionenanalyse ermittelten Funktionen können in die System-FMEA mit einfließen oder umgekehrt. Das passt sehr gut und kann ineinandergreifen. In der Regel wird die System-FMEA aber im Projekt deutlich später durchgeführt als die Funktionenanalyse.
Wie lassen sich Funktionenanalyse und Design Thinking voneinander abgrenzen?
Bei der Funktionenanalyse handelt es sich um eine Methode, Design Thinking hingegen ist ein komplexes System. Auch hat die Funktionenanalyse nichts mit Ideenfindung zu tun, sondern sie bereitet diese vor. Damit kann sie auch im Design Thinking eingesetzt werden.
Hinweis: Es handelt sich um individuelle Erfahrungen. Korrekte Definitionen sowie die detaillierte Beschreibung und diverse Hinweise zur Durchführung einer Funktionenanalyse im Rahmen von Wertanalyseprojekten finden sich in der Richtlinie VDI 2803.
Wertanalyse einfach erklärt
Um das Thema anschaulich zu erklären haben wir einen kleinen Film gedreht - in nur drei Minuten „aufgeschlaut“.
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