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Interview mit Dr. Volker Brennecke, Politik und Gesellschaft„Den VDI als Dialogplattform positionieren“
Herr Dr. Brennecke, Sie leiten im VDI die Abteilung „Politik und Gesellschaft“. Womit beschäftigt sich Ihre Abteilung schwerpunktmäßig? Und seit wann gibt es sie?
Technik und Innovation werden für Politik und Gesellschaft und damit auch die Arbeit der Ingenieurinnen und Ingenieure immer bedeutender. Man muss nur an die tiefgreifenden Transformationen im Zusammenhang mit der Energiewende und dem Klimawandel, der Mobilität der Zukunft oder der Digitalisierung denken. Hier ist die Expertise unserer Disziplin gefordert. Umgekehrt sind politische Entscheidungen und gesellschaftliche Diskurse für die technische Entwicklung und die Richtung von Innovationen zunehmend wichtiger. Ziel des VDI ist es, die Fachexpertise der Ingenieurinnen und Ingenieure in einen faktenbasierten Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft einzubringen. Genau hier setzt unsere Abteilung „Politik und Gesellschaft“ an, die 2019 durch die Zusammenlegung des Fachbeirats „Technik im Dialog“ und des VDI-Büros in Berlin entstanden ist: Wir positionieren den VDI als Dialogplattform mit Politik und Gesellschaft.
Die enge Zusammenarbeit mit dem VDI-Büro in Berlin als Teil Ihrer Abteilung hatten Sie ja gerade erwähnt, mit welchen anderen Fachbereichen respektive Gesellschaften im VDI arbeiten Sie und Ihre Kollegen noch zusammen?
Wir sind ein Bindeglied zwischen allen VDI-Fachkolleginnen und -kollegen und der Politik, insofern arbeiten wir mit allen Abteilungen, Fachbereichen und -gesellschaften im Haus eng zusammen. Intensiv ist natürlich der Austausch mit Kommunikation und Presse aus unserem Bereich „Strategie und Transformation“, aber auch mit den beiden Technologiezentren, der VDI Technologiezentrum GmbH und der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH in Berlin. Insofern sind wir sehr breit aufgestellt.
Mit den Technologiezentren die VDI-Zukunftsfelder bespielen
Wie sieht denn die Zusammenarbeit mit den VDI-Technologiezentren aus? Können Sie da ein Beispiel geben?
Das VDI TZ in Düsseldorf und Berlin sowie die VDI/VDE IT sind meist im Auftrag von Ministerien oder der EU-Kommission tätig und pflegen daher intensive Kontakte in den politischen Raum. So hat zum Beispiel VDI/VDE IT zu unserem Policy Forum im Jahr 2019 „Automatisiertes Fahren in der Smart City“ eine gleichnamige Studie erstellt. Im Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst 2021 planen wir aktuell ein Papier im Sinne einer „VDI-Zukunftsagenda 2021“: Wir wollen den Diskurs zu den genannten Transformationsthemen Klima und Energie, Mobilität, Digitalisierung und Circular Economy – wir nennen sie die „VDI-Zukunftsfelder“ - initiieren, und da beziehen wir neben den jeweiligen VDI-Fachbereichen und -gesellschaften auch die Technologiezentren ein.
Mit der Wahl des aktuellen Fokusthemas „1,5 Grad“ will der VDI aufzeigen, wie Ingenieurinnen und Ingenieure dazu beitragen können, die Erderwärmung entsprechend zu begrenzen. Wie bringt sich Ihre Abteilung „Politik und Gesellschaft“ konkret in dieses Thema ein? Da passiert ja bei Ihnen schon Einiges ...
Das kann man wohl sagen! Aktuell war der Deutsche Ingenieurtag am 20. Mai mit der Bundesumweltministerin Svenja Schulze und dem Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, sehr prominent besetzt. Die Kontakte zu deren Büros und die internen Vorbereitungen laufen über unsere Abteilung. Viele energie- und klimapolitische Fragen gehen wir selbstverständlich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt an: So haben wir im Dezember 2020 das Policy Forum „Energiewende 2.0 durch Integration der Sektoren“ sehr erfolgreich mit über 500 Teilnehmenden als virtuelle Veranstaltung durchgeführt. Diverse Policy-Factsheets, ich nenne da beispielhaft die zu den Themen Smart Meter, Fotovoltaik oder Wasserstoff, entstammen unserer Zusammenarbeit. Außerdem haben wir Gesetzesvorhaben und Strategien der Bundesregierung, wie die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Wasserstoffstrategie oder das Klimaschutzgesetz 2021 kommentiert.
Der VDI: Dialogpartner, Impulsgeber, Gestalter
Wo sehen Sie die Schwerpunkte der gesellschaftlich-politischen Arbeit des VDI in den kommenden fünf bis zehn Jahren, auch vor dem Hintergrund eines möglichen Regierungswechsels?
Wir wollen die Rolle des VDI als Dialogpartner, als Impulsgeber, als Gestalter der Technikzukunft in der Politik noch stärker herausstellen. Der VDI ist keiner der zahlreichen Lobbyverbände. Dieses Alleinstellungsmerkmal gilt es zu stärken. Der VDI ist technologieoffen und unabhängig, und so muss er sich darstellen. Lobbyverbände mit interessengeleiteten Positionen gibt es genug, aber ein Abwägen, ein Bewerten unterschiedlicher Handlungsoptionen und den breiten fachlichen Diskurs, verbunden mit daraus resultierenden konkreten Empfehlungen, davon gibt es zu wenig. In den Bundestagsfraktionen, den Parteien oder bei meinungsbildenden Stakeholdern, wie Umweltverbänden oder zivilgesellschaftlichen Organisationen, ist genau das gefragt.
Sie sind mit Ihrer Abteilung sehr stark in der Öffentlichkeit aktiv. Welche Möglichkeiten gibt es aus Ihrer Sicht, die Wahrnehmung des VDI hier noch weiter zu verbessern?
Wir sollten uns noch stärker in den großen Zukunftsthemen engagieren. Zum Beispiel „Zukunft der Mobilität“: Wie wird sich die Mobilität entwickeln? Wie wird der Verkehr in der Stadt der Zukunft aussehen? Oder konkreter: Welche Rolle werden autonome Shuttles bei On-Demand-Verkehren spielen? Schlicht: Wie sieht die Verkehrswende aus? Zu all diesen Fragen gibt es umfangreichen Orientierungsbedarf – gerade in der politischen Öffentlichkeit, aber auch in der Industrie. Auf diesen Bedarf müssen wir uns konzentrieren und aufzeigen, wie wichtig es ist, Technik im Dialog zu entwickeln und dann auch zu realisieren. Dabei sind weniger die Meinungen des VDI gefragt als die Abwägungen, Bewertungen und Empfehlungen. Meinungen gibt es wie Sand am Meer und damit unterscheiden wir uns nicht von anderen. Einen breiten fachlich-sachlichen Diskurs über Lösungsoptionen zu führen und auf dieser Basis Empfehlungen zu formulieren, darauf kommt es an, und da sind Ingenieurinnen und Ingenieure gefordert – in der Öffentlichkeit und noch stärker in der Politik. Wenn wir genau das voranbringen, werden wir weiterhin erfolgreich sein.
9.400 Mitglieder haben Fragen zur Bundestagswahl beantwortet
Mal angenommen, Sie wären kein VDI-Mitglied. Würde Sie der Umgang des VDI mit gesellschaftlichen und politischen Themen überzeugen, Mitglied zu werden? Falls ja, was daran genau?
Unsere Befragung zur Bundestagswahl hat das große Interesse unserer Mitglieder gezeigt: Immerhin haben 9.400 Mitglieder mitgewirkt und online den politischen Handlungsbedarf in den vier genannten Zukunftsfeldern benannt. Diese und andere Möglichkeiten der Mitwirkung bei gesellschaftlichen und politischen Themen stoßen auf hohes Interesse, im VDI und außerhalb. Bei den Themen, die ich eben genannt habe, geht es um Interdisziplinarität, um Technologieoffenheit und Unabhängigkeit, und es geht darum, die gesellschaftliche Zukunft mitzugestalten. Dass dieser Dialogansatz des VDI gerade junge Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Studierende überzeugt, hat die Marktstudie des VDI gezeigt und das habe ich bei meinem Lehrauftrag an der Uni selbst erlebt. Diesen Ansatz als Mitglied zu unterstützen und daran mitzuwirken, das ist enorm herausfordernd und attraktiv zugleich.
Und Ihr persönliches Highlight aus der Arbeit in der Abteilung „Politik und Gesellschaft“: Also, was war oder ist besonders spannend? Wo haben Sie richtig was nach vorne gebracht? Zum Beispiel durch eine Veranstaltung, eine Publikation, oder sogar auf der großen politischen Bühne?
Aktuell war es ein Highlight, die genannten Politik-Promis für den DIT zu gewinnen. Nicht nur im Sinne der Ausgewogenheit: Zusammen mit VDI-Präsidenten und Direktor bei Minister Altmaier im Ministerium am Frühstückstisch zu sitzen oder persönliche Gespräche mit der Umweltministerin zu führen – das hat man nicht alle Tage und das sind die Dinge, die meine Arbeit ungeheuer attraktiv machen. Mein persönliches Highlight war allerdings die Richtlinie VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“, mit der wir in vielen Unternehmen, Ministerien und Umweltverbänden einen großen Einfluss erlangt haben und auch bei großen Tagungen zeigen konnten, wie sehr sich der VDI dafür einsetzt, Infrastruktur- und Industrieprojekte gesellschaftlich tragfähig zu erarbeiten. Ich erinnere mich gut an Veranstaltungen mit unseren Landesverbänden, unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Hamburg. Auslöser für die im Jahr 2015 erschienene VDI 7000 war damals übrigens Stuttgart 21. Die VDI 7000 ist ein prominentes Beispiel, zum einen für die Präsenz des VDI und zum anderen dafür, dass es großen Bedarf gibt, Technik, Gesellschaft und Politik zusammenzubringen. Wir haben in der Abteilung neue Kollegen an Bord, die intensiv genau daran arbeiten – natürlich zusammen mit unseren beiden Berliner Kollegen – ein tolles Team, das durch die virtuellen Möglichkeiten immer besser zusammenwächst.
Interview: Alice Quack
Hinweis
Wer mehr über das Team und seine Arbeit wissen möchte, dem empfehlen wir einen Besuch unserer Politikseite.
Kommentare
Inzwischen haben 2 Leser einen Kommentar hinterlassen.Gerade die Unabhängigkeit des VDI ist ein grosses Pfand bei der Beratung der politischen Entscheidungsträger. Aus meiner Sicht könnte die Visualität des VDI merklich gesteigert werden, wenn Plattformen wie Talkshows im öffentlich rechtlichen Fernsehen genutzt würden. Hierbei sollte der VDI weniger ein Meinungsgeber sondern den Faktencheck liefern.
Ich gehe von J. Beckmann (1777) und seiner ergänzten Definition von Technologie aus. Technologie ist eine umfassende Wissenschaft über die Verflechtung von Technologie, Gesellschaft und Humanismus. Generell steht jede menschliche Tätigkeit in der Funktion sozial-humanistischer Ziele. Was immer von der Politik bestimmt wird. Deshalb geht es in der Politik in allen Ländern darum, wichtige Entscheidungen zu treffen. Vor allem zu den Auswirkungen anthropogener Einflüsse auf den Klimawandel.
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