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Vermutlich Letzteres. Denn Heinrich Stratmann, heute vor 100 Jahren in Bochum geboren, hatte frühzeitiger auf ein Schadgas aufmerksam gemacht. Für viele seiner Mitmenschen war Luftverschmutzung nämlich noch gleichbedeutend mit Staub.
Zunächst sah es allerdings nicht nach einer herausragenden Berufslaufbahn aus. Der am 14. September 1923 geborene Stratmann absolvierte nach abgeschlossener Volksschule beim damaligen Benzolverband (der späteren Aral) eine Ausbildung zum Chemielaboranten.
Ein darauffolgendes Studium der Chemie an der Ingenieurschule in Essen konnte er nicht beenden, da er zunächst zum Reichsarbeitsdienst und danach zur Wehrmacht eingezogen wurde. Eine Schussverletzung machte ihn dauerhaft wehruntauglich, sodass er nicht nur sein Studium an der Ingenieurschule beenden, sondern auch in einem Abendkurs sein Abitur nachholen konnte.
Ein Chemiker mit steiler Karriere
Das in Essen erworbene Wissen reichte Heinrich Stratmann offenbar nicht. An der RWTH Aachen studierte er Ende der 1940er-Jahre Chemie und promovierte dort wenig später. Parallel dazu arbeitete er an „seiner“ alten Ingenieurschule als Dozent und war ab 1950 Leiter der Abteilung Chemie der Kohlenstoffbiologischen Forschungsstation in Essen, deren Gesamtleitung er schließlich übernahm. 1960 wurde Stratmann Leiter des neu gegründeten Forschungsinstituts für Luftreinhaltung.
Sein Institut verschmolz drei Jahre später mit der in Bochum ansässigen Landesanstalt für Bodennutzungsschutz zur Landesanstalt für Immissions- und Bodenschutz (LIB) des Landes Nordrhein-Westfalen. Stratmann, zunächst stellvertretender Direktor und Leiter der Abteilung Luftüberwachung, wurde 1970 Präsident dieser Einrichtung, die wenig später zur Landesanstalt für Immissionsschutz (LIS) umfirmieren sollte - eine der Vorgängereinrichtungen des heutigen Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV). Seine Präsidentschaft währte bis an sein Dienstzeitende im Jahr 1988.
Mobile Immissionsmessung
Erste Furore machte Heinrich Stratmann aber schon deutlich früher mit dem 1954 vorgestellten und nach seinem Entwickler benannten „Stratmann-Koffer“. Dieser etwas klobig wirkende Apparat war ein mobiles Messgerät zur Immissionsmessung von Schwefeldioxid (SO2), das als Schadgas in dieser Zeit lange als bedeutungslos galt. Mit dem Stratmann-Koffer konnte vergleichsweise einfach die Immissionssituation an Orten erfasst werden, die vorher aufgrund schlechter Erreichbarkeit und fehlender Infrastruktur wenig Beachtung fanden. Neben abgelegen Waldgebieten waren das der Kölner Dom und sogar der Pariser Eiffelturm.
Weitreichende Bedeutung hatten der „Freilandversuch Biersdorf“ und die zugehörigen Begasungsversuche in der Kohlenstoffbiologischen Forschungsstation, die Heinrich Stratmann Ende der 1950er-Jahre zusammen mit Kolleginnen und Kollegen durchführte. Als Teil eines Forschungsprogramms der Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) wurden im Umfeld der siegerländischen Eisenerzgrube Füsseberg die Auswirkungen von Schwefeldioxid auf Forst- und Kulturpflanzen untersucht.
Hochverdient um die Luftreinhaltung
Die KRdL, der er seit ihrer Gründung angehörte, und der VDI wussten, was sie an Heinrich Stratmann hatten: So war er seit Mitte der 1960er-Jahre bis zu seinem Dienstzeitende 1988 nicht nur Mitglied in KRdL-Beirat und -Vorstand, sondern auch 15 Jahre lang deren stellvertretender Vorsitzender. Seine Verdienste auf dem Gebiet der technisch-wissenschaftlichen Gemeinschaftsarbeit in der Luftreinhaltung waren der KRdL die VDI-Ehrenmedaille im Jahr 1978 und elf Jahre später das VDI-Ehrenzeichen wert. Außerhalb des VDI wurden seine Leistungen nicht minder gewürdigt: mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande 1973, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse 1980 sowie dem von der TÜV Rheinland Stiftung vergebenen Internationalen Rheinlandpreis für Umweltschutz Mitte der 1970er-Jahre.
Kommentare
Inzwischen hat 1 Leser einen Kommentar hinterlassen.Beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW und besonders am Standort Essen ist man noch immer stolz auf das, was hier unter der Präsidentschaft von Heinrich Stratmann erreicht wurde. Besagter Koffer steht als stummer Zeitzeuge im Foyer des Hauses und erinnert daran, dass von hier aus der Himmel über der Ruhr wieder blau wurde.
Heute sind es andere Schadstoffe und andere technische Herausforderungen, die uns beim LANUV antreiben. Aber wo wären wir, ohne den Pioniergeist von Prof. Stratmann und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern?!
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