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Herr Wokittel, neben Ihrem Job haben Sie sich bislang im VDI-Bezirksverein Schwarzwald als Fachnetzwerkleiter Digitalisierung und IT engagiert und sind seit kurzem im Vorstand vertreten. Was motiviert Sie?
Ich möchte neue Ideen, Methoden und Denkweisen in den Verein bringen. Mein Ziel ist es, dass wir als VDI als die stärkste und kompetenteste Anlaufstelle in den Fachbereichen der Ingenieurwissenschaften gesehen werden. Dafür braucht es Veränderungen.
Können Sie das genauer ausführen?
Sicher. Wir Ingenieure lieben in der Regel klare Regeln, berechenbare Muster und vorhersehbare Situationen – so bekommen wir es schon an der Uni beigebracht. Doch für die Zukunft ist das zu wenig. Ich möchte dazu beitragen, den Nachwuchs zu rekrutieren und für Technologien zu begeistern. Hierzu will ich junge und alte Akteure zusammenbringen, dann es braucht sie beide. Ich bin der Überzeugung, dass die Herangehensweise von gestern nicht mehr ausreicht, um die Probleme von morgen zu adressieren. Zu diesem Zweck möchte ich ein Gestalter im Verein sein.
Unterschiedliche Generationen zusammenbringen
Es ist immer gut, miteinander zu sprechen, um Dinge zu bewegen. Aber unterschiedliche Generationen sehen die Dinge auch oft ganz anders. Was braucht es Ihrer Ansicht nach, um neben der Dialogbereitschaft auf einen Nenner zu kommen?
Das ist eine sehr gute Frage. Es mangelt uns nicht an Dialogbereitschaft – die ist und war meiner Erfahrung nach schon immer sehr gut. Der VDI hat schon immer viel Wert auf den Austausch gelegt. Was es braucht ist der unerschütterliche Wille zur Veränderung und die Bereitschaft alles auf den Prüfstand zu stellen. Neue und unkonventionelle Ideen müssen her, um noch mehr junge Menschen anzusprechen. Wir öffnen uns bislang zu zaghaft für diese Veränderung.
Was bedeutet das konkret für den VDI?
In meinem alltäglichen Beruf stellen wir uns immer die Frage, warum sollten die jungen und besten Experten zu uns in die Firma kommen statt zu einem hippen Startup ins Silicon Valley? Genau das Gleiche müssen wir uns fragen: Warum sollten junge Ingenieurinnen und Ingenieure zu uns in den VDI kommen? Die Antwort darauf darf nicht sein, weil die gemeinsamen Stammtische ganz nett sind. Junge Menschen wollen mit ihrem Tun einen Impact leisten – sie wollen wirklich etwas verändern.
Es braucht neue Netzwerkstrukturen
Was benötigen wir hierzu?
Unsere „Konkurrenz“ sind heutzutage junge, digitale und flexible Interessensvertretungen aller Art. Wir denken da bislang noch zu sehr in Silos. Man wird beispielsweise einmal einem Fachnetzwerk zugeordnet und gut. Dabei sind die Interessen der Menschen sehr heterogen. Dazu brauchen wir neue Netzwerkstrukturen, um die gesamte Kommunikation zu verbessern. Bezirksvereine vor Ort sind nett, wenn man sich auch mal schnell sehen möchte: Die Interessen der Menschen gehen aber weit über die Grenzen der Bezirksvereine hinaus. Die Vernetzung der Welt und Menschen kennt keine Grenzen.
Zu diesem Zweck ist Ihnen auch die überregionale Kommunikation ein Anliegen ...
Ja, ich sehe mich als Treiber der Veränderung. Die größte Aufgabe dabei ist es aber, so viele wie mögliche auf diesem Weg mitzunehmen. Das wird nicht immer gelingen und ist normal in einem so tiefgreifendem Veränderungsprozess. Dennoch muss unser Blick immer auf der Zukunft liegen. Dazu müssen die einen nachvollziehen, dass Veränderungen ihre Zeit brauchen. Gleichzeitig muss die andere Gruppe bereit sein, die Regeln und Prozesse der Vergangenheit zu hinterfragen und offen für Neues sein.
Lockere Darstellungsformen wie einen Podcast wählen
Gibt es etwas, dass Sie aus ihrem Engagement bei den Podcasts, Webinaren und im Bezirksverein für sich persönlich mitnehmen?
Ich denke, Ingenieurinnen und Ingenieure müssen unsere Themen noch leichter und verständlicher darstellen. Wir sind zu sehr Techniker und brauchen noch mehr den Verkäufer in uns. Möglichkeiten wie Webinare oder Podcasts sind da ein gutes Mittel. Die Kunst ist es dann, die Themen so aufzubereiten, dass sie interessant sind und nicht Over-Engineered. Denn wir Ingenieure sind in der Regel keine Geschichtenerzähler. Um Begeisterung bei den Menschen zu erreichen, müssen wir in der Außenwahrnehmung aber genau der mehr sein. Egal ob alternative Antriebe, neue Formen der Energieerzeugung oder Umweltschutz: Überall braucht es dringender denn je unsere technischen Innovationen und die müssen wir so verkaufen, dass wir möglichst viele Menschen, auch Nicht-Techniker, erreichen. Vor allem moderne und lockere Formen wie der Podcast oder die Social-Media-Auftritte sind exzellent dafür geeignet. Damit erzeugen wir ein frisches, modernes und zeitgemäßes Bild. Das Engagement des VDI in diesen Bereichen finde ich klasse und nehme es als Bereicherung mit, weshalb ich mich dafür auch gerne engagiere.
Weshalb liegt Ihnen die Wissensvermittlung so am Herzen?
Ich beschäftige mich beruflich viel damit, welche Technologien wir in Zukunft benötigen und welche Skills dazu notwendig sind. Ich stoße dabei oft auf das Problem, dass gerade wir Ingenieure leichtfertig denken, unersetzbar zu sein. Aber dem ist nicht so! Zunehmende Automatisierung durch Digitalisierung ändert unsere Geschäftsmodelle – täglich. Die Bereitschaft, Veränderungen proaktiv anzugehen und zu gestalten, fällt dabei nicht immer leicht. Daher möchte ich helfen, Veränderungen voranzutreiben und ständig den Status-Quo zu hinterfragen, damit wir uns immer weiterentwickeln können. Dadurch verlieren wir die Angst vor dem Unbekannten.
Die Vorhersagbarkeit von Veränderungen verbessern
Sie sprechen von Angst. Wie kann man dieser entgegenwirken?
Angst vor dem Unbekannten kann man am besten begegnen, wenn man versucht, die Vorhersagbarkeit von Veränderungen zu verbessern. Was bedeutet das? Veränderungen kommen immer schneller, in immer kürzeren Abschnitten – das beschreibt übrigens auch Kurzweils‘ Gesetz. Je ungewisser der Ausgang für Veränderungen ist, desto schwerer tun wir uns damit, diese zu akzeptieren. Im Job wie Im VDI versuche ich, mit den Menschen offen darüber zu reden, wie wir mit dem Unbekannten am besten umgehen können und was wir proaktiv dafür tun können. Man sollte nie auf Veränderungen warten, sondern immer vorne mit dabei sein, diese zu gestalten. Sonst tun es andere für einen. Das Thema Methodenkompetenz spielt hierbei eine wichtige Rolle, um das Handwerkszeug zu besitzen, die Zukunft aktiv mitzugestalten: Wie entwickeln wir neue Ideen? Wie organisieren wir uns im Team am besten, um agile und schlagkräftige Mannschaften aufzusetzen? Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit jeder als kreativer Denker und Macher, Dinge vorantreiben kann?
Schlagkräftige Mannschaften, sagen Sie. Meinen Sie damit Teams, die Gas geben, damit das Unternehmen die Digitalisierung nicht verschläft, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Jain. In einem Unternehmen wie auch im VDI sollten es nicht nur einzelne schlagkräftige Teams sein. Das Ziel muss es sein, dass das ganze Unternehmen (Verein) das schlagkräftige Team ist. Digitalisierung ist da nur ein Puzzleteil von vielen – wenn auch derzeit das meistbeachteste. Damit schlagkräftige Teams entstehen, die Dinge wie Digitalisierung treiben, braucht es aber auch entsprechende Arbeitsformen, passende Führungsmodelle und sinnstiftende Tätigkeiten. Schlagkräftige und schnell agierende Teams brauchen passende, motivierende Ziele. Um einen solchen Kurs einschlagen zu können, benutze ich immer gerne das Bild des Schifftankers. Ob großer Konzern oder großer Verein. Um einen solchen Tanker auf seinem Kurs langfristig beeinflussen zu können, braucht es viele kleine Speedboats die immer mal an den Seiten stupsen. Nach einer Zeit treten die großen und langfristigen Veränderungen dann ein.
Man muss bereit sein, Risiken einzugehen
In was beziehungsweise auf welcher Ebene sollten Unternehmen investieren? Schnelligkeit, Tempo kommt nur dann ins Spiel, wenn das Team Freiheiten hat. Ist das nicht gerade in großen Unternehmen eher unmöglich, weil zu viel Angst mitschwingt, das Ruder vollends aus der Hand zu verlieren?
Wenn ein Unternehmen jede Entscheidung nur nach bestmöglicher finanzieller Transparenz beurteilt, hat es meiner Meinung nach Themen wie Innovation und Schnelligkeit nicht verstanden. Ich kann neue Wege nur einschlagen, wenn ich bereit bin, Risiken einzugehen. Wenn es klappt, hervorragend, wenn nicht, lernen wir daraus und versuchen es besser zu machen. Das beste Investment ist einerseits in die Weiter- oder Neuausbildung der Mitarbeiter. Daneben braucht es Kapital, um Dinge ohne Angst testen zu können.
Spricht nicht jedes Unternehmen von agilen Arbeitsformen, um Entscheidungen und Prozesse zu beschleunigen?
Sicher, aber die Umsetzung ist echt hart und Knochenarbeit – das spüre ich jeden Tag am eigenen Leib. Agilität bedeutet nicht, dass jeder machen kann, was er will. Dann hat man Ende einen wilden Hühnerhaufen. Das Ziel ist klar, aber der Weg dorthin wird selbstbestimmt. Solche Strukturen zu etablieren und letztendlich zu leben, ist am schwierigsten. Eine Patentlösung gibt es auch nicht, da jede Organisation anders ist – genauso wie die Menschen, die darin leben.
Interview: Hanna Büddicker, Frank Magdans
Kommentare
Inzwischen haben 3 Leser einen Kommentar hinterlassen.Den Aussagen kann ich nur beipflichten. Ich bin noch nicht lange im VDI und mit den Strukturen nicht vertraut. Dem Verein bin ich beigetreten, weil ich auf der Suche bin, mich Auszutauschen zu Themen, die mich als Ingenieur, nach ca. 15 Jahren Berufserfahrung beschäftigen. Damit wie im Interview angesprochen, ich die neuen Themen angehen kann und nicht auf das Abstellgleis gerate. Dazu brauche ich Netzwerke, die flexibel nutzbar und auf dem neuesten Stand sind und zu meinen Fragen, die mich momentan beschäftigen passen. Hierzu brauche ich keinen Stammtisch oder treffen zu Themen, die vielleicht auch interessant, aber momentan für mich nicht vorrangig sind. Außerdem ist es eben leider auch so, daß Freizeit ein kostbares Gut ist und nur wenig Zeit bleibt Veranstaltungen zu besuchen.
Wir brauchen Visionäre, Macher und Krisenbewältiger in der Politik. Der VDI muss zu dem wichtigsten Politikberatergremium in Berlin werden. Die Zukunft liegt im technologischem Fortschritt und nicht im Verwalten der Vergangenheit.
Gute Ideen für die wir alle offen sein sollten. Wir brauchen diese Ansätze um weiter ein führender innovativer Verein zu sein der die Zukunft mitbestimmt.
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