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Frau Saatweber, mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich sowohl in Ost- als auch Westdeutschland beruflich konfrontiert?
Jutta Saatweber: Ich bin nach dem Studium zur VEB Energieprojektierung nach Berlin. Da arbeiteten schon vor mir einige Frauen aus Zittau. In meiner Abteilung war auch schon eine Frau vor mir da. Frauen waren im Osten in dem technischen Bereich zwar nicht selbstverständlich, aber es war nicht so ungewöhnlich wie im Westen.
Hatten Sie aufgrund dessen das Gefühl, in Ostdeutschland stärkere Akzeptanz zu spüren als in Westdeutschland?
Nein, ich hatte auch im Westen bei Calor-Emag in Ratingen keine Probleme. Mein Vorgesetzter und die ganze Abteilung waren sehr aufgeschlossen. Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt. Allerdings wohnte ich zu der Zeit in Düsseldorf und das Pendeln hat mich nach einiger Zeit so sehr abgeschreckt, dass ich mir etwas Neues in der Nähe gesucht habe.
Wie sind Sie zum Ingenieurberuf gekommen?
Grundsätzlich war der Zugang zu diesem Beruf in der DDR leichter als zu anderen Berufen. Ich wäre eigentlich viel lieber Sportlehrerin geworden. Allerdings wurde mein Vater nach dem Krieg von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt und kam nie wieder. Ich war nicht in Organisationen und habe mich politisch sehr zurückgehalten, weil mich das zutiefst betroffen gemacht hat. Das waren Dinge, die mich dem Staat nicht zujubeln ließen. Insofern war der Lehrerberuf für mich nicht machbar. Ich habe meine Lehre dann als Beste aus dem ganzen Kreis Salzwedel abgeschlossen. Damals gab es noch viele selbstständige Elektriker und die waren schon alle ein bisschen erstaunt, dass da nun plötzlich so ein Mädchen die Prüfung mit Eins in Theorie und Praxis abschloss. Aber ich wollte das unbedingt. Ich hatte mir vorgenommen „Euch zeig ich, wo hier der Hammer hängt“. Im Endeffekt ist es mir nicht schwer gefallen. Die Theorie war nicht schwer und ich war mit 1,76 Meter Größe stark. Das hat mir nicht so viel ausgemacht.
„Ich wollte auch, dass wir im Westen endlich ein paar mehr werden und gesehen werden.“
Ihre gute Abschlussnote hat Sie dann zum Studium gebracht?
Nicht wirklich. Auf die politische Arbeit wurde auch geschaut. Aber die Firma, bei der ich die Ausbildung gemacht habe, war aufgefordert, ein bis zwei zum Studium zu delegieren. Allerdings war niemand außer mir bereit Salzwedel zu verlassen. Ich war die einzige, die wollte. Ich habe mit den Füßen gescharrt und durfte dann zur Aufnahmeprüfung nach Magdeburg. Die habe ich offenbar gut bestanden und konnte in Zittau mein Studium aufnehmen.
Im VDI haben Sie nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland Frauen-im-Ingenieurberuf-Arbeitskreise gegründet und arbeitslose Ingenieurinnen beraten. Was war der Hintergrund Ihres Engagements?
Ich wusste ja, dass es so viele Ingenieurinnen im Osten gab. Der Ingenieurberuf war allerdings dort nicht so hoch angesehen wie in Westdeutschland und ich wollte verhindern, dass die Frauen sich alle umschulen lassen. Die Berufswahl Ingenieurin war – wie bei mir auch – oft nicht die erste Wahl der Frauen. Nach der Wende haben sich viele gedacht, dass sie ja nicht so begeistert von dem Beruf waren und gut und gerne etwas anderes machen würden. Ich habe viele gewarnt und ihnen gezeigt, dass Ingenieurin im Westen ein anerkannter Beruf ist, mit dem man gutes Geld verdienen kann. Mein großes Anliegen war es, dass die Frauen in ihren Berufen blieben. Ich wollte auch, dass wir im Westen endlich ein paar mehr werden und gesehen werden.
Wie sah dieses Engagement konkret aus?
Ich habe Kontakt zu den Bezirksvereinen in Ostdeutschland aufgenommen und hab Kurse und Seminare mit den Ingenieurinnen gemacht. Ich habe dann den ersten gesamtdeutschen Ingenieurtag in Bad Homburg organisiert. Im Rahmen dessen haben wir hier Patenschaften für die ostdeutschen Ingenieurinnen übernommen und sie bei uns für dieses Event übernachten lassen. So konnten sie Kontakt zu westdeutschen Ingenieurinnen knüpfen. Den nächsten großen Kongress haben wir dann in Ostberlin gemacht. Durch das Netzwerk haben wir es sehr schnell geschafft, in Ostdeutschland Frauen-im-Ingenieurberuf-Arbeitskreise zu gründen. Darunter waren Dresden, Greifswald, Magdeburg, Halle, Leipzig. Das Bedürfnis war jedenfalls groß. Das ganze System änderte sich plötzlich. Nicht nur der Beruf wurde anders, auch die Kinder hatten plötzlich ein anderes Schulsystem. Frauen hatten in der Zeit viel zu überlegen. Wir haben versucht, mithilfe der Arbeitskreise eine Anlaufstelle zu sein und einen gewissen Halt geben zu können
Was ist Ihr Tipp, den Sie jungen Frauen im Technikbereich mit auf den Weg geben möchten?
Seid einfach selbstbewusst und reagiert selbstbewusst. Wenn Interesse an Technik da ist und man den Zugang hat, passiert vieles von alleine. Viele, die ich kenne, sind durch ihren Vater oder ihre Brüder zu dem Beruf gekommen. Man braucht vor allem Vorbilder.
Interview: Hanna Büddicker
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