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Herr Schlesinger, warum gibt es beim TÜV SÜD einen Chief Digital Officer (CDO) und was ist Ihre Aufgabe?
Die Position des CDO beim TÜV SÜD wurde ins Leben gerufen, um die Vielfalt an digitalen Initiativen zu kanalisieren und zu beschleunigen und um gleichzeitig neue Geschäftsfelder zu finden, die das Vertrauen in die Marke TÜV und die 150 Jahre Ingenieur-Expertise dazu nutzen, die zur Zeit stattfindende vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) mitzugestalten. Meine täglichen Herausforderungen sind daher vielfältig – vom Aufbau des vor einem Jahr gestarteten Digital Service Teams über die Leitung von Co-Development Projekten bei und mit dem Kunden bis hin zu Strategiediskussionen mit anderen Bereichen des TÜV SÜD. Dabei geht es durchaus global zu: Es gibt ein TÜV SÜD Center of Excellence for Digital in München, eines in Singapur, und ein weiteres wollen wir demnächst in den USA aufbauen.
Die Digitale Transformation verändert die Arbeitswelt in allen Bereichen
Wie sieht der Arbeitsalltag von Ingenieuren und Ingenieurinnen in der Digitalen Transformation aus?
In Zukunft werden immer mehr Prozesse bei Inspektions- und Prüfungstätigkeiten digitalisiert ablaufen. Nicht nur bei der Planung der Arbeit oder ihrer Niederschrift und bei der Auswertung der Ergebnisse – das ist ja heute schon so. Sondern fundamental, das heißt wie solche Prüfungen ablaufen.
Stellen Sie sich ein Auto vor, so wie es jetzt gerade bei den großen Automobilherstellern geplant wird. Das Fahrzeug wird nicht nur (teil-)autonom fahren, sondern auch eine Vielzahl von Sensordaten liefern, die Rückschlüsse auf seine Betriebstüchtigkeit zulassen, zum Beispiel auch, ob die Bremse noch ausreichend ‚zieht‘ oder nicht. Nicht, dass hiermit jegliche Sicherheitsprüfung überflüssig wird, aber zu verstehen, mit welchen Daten man welche Aussage über ein Fahrzeug treffen kann und wie ich an diese Daten heran komme, das wird eine Kernfähigkeit der Ingenieure und Ingenieurinnen der Zukunft sein.
Geben Sie uns doch ein paar Beispiele für die Veränderung des Profils beim TÜV SÜD
Früher hat man fliegende Bauten oder Windenergieanlagen von Industriekletterern prüfen lassen, was riskant und körperlich sehr fordernd ist, heute kann man zumindest teilweise Drohnen dazu einsetzen. Oder aber Kinderspielzeug: Das war früher nicht mit dem Internet verbunden, daher hat es genügt, dessen physikalische Eigenschaften zu prüfen. Heute haben Teddybären und Puppen oft eine Kamera oder ein Mikrophon, welches mittels WiFi mit der Cloud des Herstellers kommuniziert. Daher muss zusätzlich die Compliance des WiFi Chips geprüft werden und man muss sich Gedanken machen, ob z.B. die Kamera durch Unbefugte gehackt oder übernommen werden kann. Außerdem: Hat man früher bei Zertifizierungen primär Managementprozesse betrachtet, die sich auf die physische Welt beziehen, halten nun Audits zur Informationssicherheit (ISO 27001) oder zur Sicherheit von IT-Netzwerken und Systemen Einzug.
Die Anforderungen entwickeln sich mit dem Technikfortschritt
Welche Qualifikationen brauchen Ingenieure und Ingenieurinnen Ihrer Ansicht nach künftig?
Ich denke, dass vor allem für einen Ingenieur/eine Ingenieurin in der Arbeitswelt 4.0 ein grundlegendes Verständnis von Internet und Datenverarbeitungstechnologie unabdingbar ist. Damit meine ich nicht, einem Programmierer oder Hacker Konkurrenz machen zu müssen. Aber die Konzepte der IT-Welt wie agile Methoden / SCRUM, HW/SW-Architekturen, plattformbasierte Geschäftsmodelle oder auch von Konnektivität, sei es wireless oder kabelgebunden, zu verstehen ist sicher zunehmend wichtig.
Wie bereitet sich der Nachwuchs auf die neuen Anforderungen vor?
Natürlich gibt es hervorragende Vorlesungen und Kurse im Ingenieurstudium und diese sind oft auch eine gute Grundlage, aber zum Digital Native wird man nur durch selber Erleben und selber Versuchen. In der digitalen Welt gilt ‚learning by doing‘! Zudem geht auch die Digitalindustrie durch Phasen: Einmal werden Netzwerkspezialisten gesucht, dann App-Programmierer, nun Hacker und fortgeschrittene Analytics-Spezialisten. Es ist zwar der Slogan eines berühmten Bekleidungsunternehmens, aber hier wie dort gilt: Never stop exploring!
Interview: Annika Lander
Die Interviewreihe im Rahmen des VDI-Jahresthemas„SMART GERMANY – Arbeit in der Digitalen Transformation“ beleuchtet den Einfluss der Digitalisierung auf das Berufsbild Ingenieur. Wie arbeiten Ingenieure und Ingenieurinnen in der digitalisierten Arbeitswelt?
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