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Das MIngG regelt unter anderem, wer berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieurin“ bzw. „Ingenieur“ zu führen. Besonders der MINT-Anteil von 50% im Studium ist aus Sicht einiger Interessenvertreter unzureichend. Sie befürchten Qualitätsverluste in der Ausbildung. Diese könnten in letzter Konsequenz so weit gehen, dass demnächst etwa Brücken und Gebäude einstürzen würden, wenn nicht ein Mindest-MINT-Anteil von 70% vorgeschrieben wird. Als Hintergrund sei hier angemerkt, dass etwa das geltende Ingenieurgesetz in NRW keinen MINT-Anteil vorgibt. Für diejenigen, die den Begriff „MINT“ noch nicht kennen: Die Abkürzung steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
Der MINT-Anteil ist umstritten
Ich unterstütze die Position des VDI, die unter anderem besagt, dass es nicht darauf ankommt, wieviel von einem Thema gelehrt wird. Es kommt vielmehr darauf an, was die Ingenieurin oder der Ingenieur tatsächlich kann. Und das kann nicht an einer Quote festgemacht werden. Und außerdem: MINT schließt beispielsweise auch die Chemie ein. Müsste dann nicht auch der Chemie-Anteil hochgesetzt werden? Für mich als Chemiker ist das sicherlich eine tolle Idee. Für angehende Ingenieur*innen ist fundiertes chemisches Wissen vermutlich weniger relevant, da es die Ingenieursleistung nicht wesentlich verbessern wird.
Wenn von MINT gesprochen wird, denken die meisten Menschen sowieso an Mathe und Physik. Doch auch diese für Ingenieur*innen hochrelevanten Bereiche könnten durch eine MINT-Quote mit unbedeutenden Inhalten aufgeblasen werden. Das ist auch deswegen bedenklich, weil das Berufsbild der Ingenieur*innen viel mehr umfasst, als nur Konstruktion und Rechnen. Sie müssen neben dem Projektemanagement auch in der Lage sein, mit Kolleg*innen umzugehen – immer mehr auch im internationalen Kontext.
Und sie benötigen betriebswirtschaftliche, juristische sowie ethische Kompetenzen und Kenntnisse. Gut auf die Arbeitswelt vorbereitete Ingenieur*innen brauchen also weit mehr als „nur“ MINT-Kenntnisse. Bereits bestehende Maßnahmen reichen meiner Meinung nach aus, um das Vertrauen in die Ingenieurskunst zu stärken. Für sicherheitsrelevante Aspekte des Ingenieursberufs gibt es schon heute ein Sicherheitsnetz aus verschiedenen rechtlichen Maßnahmen sowie Fortbildungsverpflichtungen.
Während der Anhörung haben das auch verschiedene andere Interessenvertreter bekräftigt. Auf Nachfrage des sehr gut vorbereiteten Ministers Prof. Andreas Pinkwart konnten anwesende Hochschulvertreter mit Stolz darauf hinweisen, dass aktuell schon sehr gut ausbildet wird. Ingenieur*innen aus Deutschland und speziell NRW seien nicht nur in Deutschland, sondern auch auf der ganzen Welt hochgeschätzt und begehrt.
Ein Einwand hat mich persönlich sehr befremdet: Einige Interessenvertreter unterstellten, dass sich Studierende bei einem Anteil von weniger als 50% MINT die vorgeblich einfachen „Nicht-MINT-Studieninhalte“ aussuchen würden, um damit einfacher durch das Studium kommen. Zunächst einmal finde ich es eigenartig, anzunehmen, dass nur MINT-Fächer schwer sind. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass sich jemand nur dann für einen Ingenieursstudiengang entscheiden wird, wenn er oder sie positiv gegenüber MINT-Fächern eingestellt ist und diese auch ganz gut beherrscht.
Mir beispielsweise gingen MINT-Fächer immer leicht von der Hand und ich habe diese Inhalte deswegen immer gesucht. Glücklicherweise ist auf dieses Argument keiner weiter eingegangen, da es haltlos und auch anmaßend ist. Es war für mich eine Freude, dass Prof. Schlößer, Herr Westerkamp und ich nicht die einzigen Vertreter waren, die 50% MINT befürwortet haben. Wir konnten für diese VDI-Position eine breite Unterstützung während der Diskussion beobachten.
Auch die bisherigen Rückmeldungen aus dem für die Umsetzung zuständigen Wirtschaftsministerium sind bisher in unserem Sinne positiv. Es ist wichtig, dass NRW hier ein deutliches Signal setzt und das MIngG vollständig in Landesrecht umwandelt. Denn es ist aufgrund seiner Bedeutung ein Vorbild für andere Bundesländer, in denen das Ingenieurgesetz novelliert werden könnte. Der bestehende föderale Flickenteppich in den Ingenieurgesetzen sollte abgebaut werden, um Ingenieur*innen gleiche Startbedingungen in Deutschland und der Welt zu gewährleisten.
Ingenieurstandards sollten einheitlich sein.
Kommentare
Inzwischen hat 1 Leser einen Kommentar hinterlassen.Wie in dem Artikel richtig geschrieben umfasst das Berufsbild der Ingenieur*innen viel mehr als nur Konstruktion und Rechnen. Projektmanagement, Führungsqualifikationen und der richtige Umgang mit Kolleg*innen gehört zum Arbeitsalltag des Ingenieurs dazu. Das ist denke ich einleuchtend.
Aber wenn es um betriebswirtschaftliche, juristische sowie sprachliche/kulturelle Kompetenzen und Kenntnisse geht, möchte ich davor warnen hier den Ingenieurberuf zu sehr damit zu "be- und überlasten".
Irgendwann ist das einfach zuviel und es leidet dann eben schon die fachliche Qualität, sprich die technisch saubere Umsetzung darunter.
Ich musste leider live sehen und erleben, dass gerade Ingenieure, die nie richtig als Ingenieur gearbeitet haben und dann durch Weiterbildungen in den technikfremden Gebieten Führungspositionen erreichen konnten, Fehlentscheidungen treffen. Problem dabei ist, dass durch den Ingenieurtitel jeder davon ausgeht, dass die Person auch die Fähigkeiten eines Ingenieurs aufweist, was leider nicht immer der Fall ist.
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