Rubriken
Herr Dr. Theloke, fahren Sie selbst ein Elektroauto oder nutzen Sie das Fahrrad?
Ich nutze das Fahrrad und den ÖPNV für innerstädtische Fahrten, da mir die Parkplatzsuche und die Staus in Düsseldorf zu anstrengend sind. Leider besitze ich noch kein Elektroauto. Da warte ich lieber bis die Hersteller genügend Elektroautos anbieten. Ein praktisches Problem wird allerdings das Aufladen, weil ich in einer Mietwohnung wohne.
Klar, das Aufladen stellt dann ein Problem dar. Doch einige müssen anfangen, denn wie wir uns in Zukunft bewegen, ist entscheidend, um den weiteren Temperaturanstieg zu verhindern. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit möglichst viele Menschen umdenken?
Wichtig ist die bessere Vernetzung aller Verkehrsträger. Denn wenn es viele gute Alternativen zum Auto gibt, werden sie auch genutzt ... Hierzu ist eine stärkere Digitalisierung notwendig, um den individuellen Mobilitätsbedarf zu erfüllen. Es wird in Zukunft daher die Antwort auf die Frage wichtig sein, wie ich von A nach B komme. Die optimalen Verkehrsträger müssen dann von einer einfach zu bedienenden App zusammengebracht und dem User angeboten werden. Für eine bessere Umweltschonung ist darüber hinaus wichtig, welche Antriebstechnologien, Elektro- und Wasserstofffahrzeuge oder Verbrenner mit synthetischen Treibstoffen aus erneuerbaren Energien genutzt werden. Für den innerstädtischen Verkehr werden wahrscheinlich Elektrofahrzeuge bevorzugt betrieben, für längere Strecken und Lkws wird zukünftig Wasserstoff die wesentliche Rolle spielen. Synthetische Treibstoffe kommen zukünftig eher in Flugzeugen und Schiffen zum Einsatz.
Die Rolle der Landwirtschaft
Für die Umwelt ist nicht nur unser Mobilitätverhalten, sondern auch unser Essensverhalten und die Produktion dieses Essens von Bedeutung. Kann unsere Landwirtschaft etwas dazu beitragen, die Klimaerwärmung zu verhindern?
Ja, die Landwirtschaft ist eine der größten Emissionsquellen von Treibhausgasemissionen. Es werden hauptsächlich Methan und Lachgas emittiert. Diese Gase haben ein vielfach höheres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid. Etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen entstammt der Landwirtschaft, in Deutschland etwa acht Prozent. Wesentliche Quellen sind die Tierhaltung mit Methan und die Böden mit Lachgas. Um den Schaden vergleichen zu können, wird das Treibhausgaspotenzial Methan auf CO2 umgerechnet. Dann bedeutet der Verzehr von einem Kilogramm Rindfleisch ein CO2-Äquivalente von 21 Kilogramm, ein Kilogramm Schweinfleisch entspricht acht Kilogramm, während Geflügelfleisch etwa vier Kilogramm CO2-Äquivalente emittiert. Die Reduktion des Fleischkonsums auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung würde zu einer Reduktion der landwirtschaftlichen Emissionen um etwa 25 Prozent bedeuten. Es gibt heute viele Alternativen zu Fleisch. Die Firma Redefine Meat beispielsweise hat gerade 29 Millionen Dollar erhalten, um die Idee des 3D-Druckens von „veganem Fleisch“ weiter auszubauen, denn das, was aus dem Drucker kam, wurde von 90 Prozent der Fleischkonsumenten akzeptiert.
Viele Dinge müssen ganz schnell umgesetzt werden ...
Bleibt der Menschheit überhaupt noch irgendeine Chance, den Klimawandel aufzuhalten?
Die Chancen, den Klimawandel aufzuhalten, werden unterschiedlich eingeschätzt. Das Problem ist, dass viele Dinge ganz schnell umgesetzt werden müssen. Und hier könnte die Zeit nicht mehr reichen. Daher machen sich viele Politiker und Wissenschaftler schon viele Gedanken, wie wir uns dem Klima anpassen können, zum Beispiel durch die Begrünung von Städten, höhere Deiche und so weiter. Aber es gibt auch Forschungsprojekte, bei denen CO2 mittels chemischer Prozesse aus der Luft gefiltert wird. Dazu gibt es in Europa bereits Anlagen. Direct Air Capture wird das Verfahren genannt. In Island wird das CO2 dann mit Basalt zu einem stabilen Stein gebunden. Aber noch ist das Verfahren sehr teuer. Eine einzige Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, kostet rund 550 Euro. Hier ist noch viel Forschungsbedarf.
Wie kann die Forschung diesen Ansatz vorantreiben?
Solange es noch andere CO2-Quellen gibt, lassen sich derartige Anlagen wahrscheinlich nicht wirtschaftlich betreiben, es sei denn der CO2-Preis für fossile Quellen würde erheblich angehoben. Die Forschung kann allerdings helfen, diese Anlagen in den großtechnischen Maßstab zu skalieren und damit auch Kosten zu senken. Hierfür müssen aber auch neue Technologien entwickelt werden.
Alles nur Augenwischerei?
Welche Rolle wird zukünftig die Erzeugung von Wasserstoff spielen?
Wasserstoff, erzeugt aus erneuerbaren Energien, sogenannter grüner Wasserstoff, spielt in Zukunft eine sehr wichtige Rolle. Er wird als Energiespeicher für Zeiten benötigt, wenn wenig Wind weht und die Sonne nicht scheint. Wasserstoff wird für die Herstellung von Stahl und in der Chemieindustrie verwendet. Und man findet es in synthetischen Kraftstoffen für Flugzeuge und Schiffe. Auch Lastwagen werden zukünftig Wasserstoff benötigen.
Im neuen, verschärften Bundes-Klimaschutzgesetz ist nun das nationale Ziel verankert, bis 2045 statt 2050 treibhausgasneutral zu werden. Ist das nicht Augenwischerei? Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert doch als zentrale Messgröße für den Klimaschutz eine andere Größe, das CO2-Budget …
Das neue Klimaschutzgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jedoch wird Deutschland trotzdem sein Restbudget um etwa ein Drittel überschreiten. Das bedeutet, dass es eine wichtige Aufgabe für die nächste Bunderegierung sein wird, dies zu ändern. Sie muss konkrete Maßnahmen festlegen, um die Ziele zu erreichen. Es ist nämlich das Eine, Minderungsziele festzulegen, und das Andere – was Politiker meist vergessen – strikte Maßnahmen zur Erreichung der Ziele festzulegen. Es wäre sinnvoller, sich früher von der Kohleverstromung zu verabschieden und ehrgeiziger den Ausbau von Wind- und Sonnenkraft sowie von Wärmepumpen anzugehen.
Noch eine abschließende Frage: Wird unsere Luft irgendwann so schlecht sein, dass wir Sauerstoffmasken tragen müssen, um zu überleben?
Das glaube ich nicht, da die globale CO2-Konzentration nicht so giftig ist und die Luftschadstoffe weltweit zurückgehen. Viel eher glaube ich, dass wir in Zukunft unter Hitzeperioden, trockenheitsbedingtes Waldsterben, Versteppung, Flüchtlingswellen und klimawandelbedingte Kriege leiden werden. Deswegen geht uns das Thema Klimaerwärmung alle an.
Interview: Leonid Dirzus (VDI-Zukunftspilot), Frank Magdans
Ich bin schon lange Mitglied im VDI. Als VDIni hatte ich sogar die Möglichkeit, Alexander Gerst zu treffen. Das war super! Später möchte ich auf jeden Fall irgendetwas mit MINT studieren.
Kommentare
Inzwischen haben 2 Leser einen Kommentar hinterlassen.Tolle Arbeit! Respekt ✊
Gratuliere
Danke für diesen Beitrag. Ja, der Klimawandel geht uns alle an. Insbesondere die Bewohner der Industrienationen, die seit Jahrzehnten schon die Natur zu stark ausbeuten und die auf Kosten ärmerer Nationen reich geworden sind. Politisch wähle ich im September den Klimawandel und jeder mit Verantwortung für unsere Kinder und unsere Umwelt muss das auch tun. ich persönlich werde meinen Beitrag leisten, indem ich meine Mobilität und meine Ernährung nachhaltig plane. Ein Schritt zurück statt nach vorn ist mir aber lieber, als Fleisch aus Massentierhaltung durch Industrieprodukte aus Erbsen oder Soja zu ersetzen. Dann eben wie früher ein gutes Stück Fleisch nur am Wochenende und ansonsten richtiges Gemüse, Obst und Salat. Gern vom Bauernhof nebenan. Mehr mit dem Fahrrad fahren, vernünftige Fahrzeuge benutzen, keine Flugreisen. Das ist für mich kein Verzicht, sondern ein Gewinn an Lebensqualität mit einem guten Gewissen.
Diskutieren Sie mit uns