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Reportage: Zu Besuch beim Lehrstuhl PEMWie gut lassen sich Batterien von E-Fahrzeugen recyceln?
Ich bin unterwegs zum Campus-Boulevard, jener Straße, an der sich etliche Institutionen der RWTH Aachen niedergelassen haben. Vor zehn Jahren war hier noch Wüste, und gebaut wird auch unweit des Gebäudes, in dem mich Domenic Klohs und Natalia Soldan erwarten. Beide arbeiten am Lehrstuhl PEM (Production Engineering of E-Mobility Components) und sind Experten für das Recycling von Batterien für Elektrofahrzeuge.
Wer sich jetzt noch fragt, weshalb ich hier bin: Das Thema Batterie-Recycling wird in Zukunft immer wichtiger werden: Die Menge jener Lithium-Ionen-Batterien, die sich an ihrem „End of Life“ befinden, wird durch den stetig wachsenden Anteil von Elektrofahrzeugen in Zukunft noch deutlich steigen. Aus diesem Grund müssen Expertinnen und Experten neue Konzepte in puncto Recycling und Rohstoffrückgewinnung entwickeln. Ab 2025 wird gar eine Gesamt-Recycling-Effizienz von 65 Prozent gefordert, die 2030 auf 70 Prozent steigt.
Herstellung und Zusammenfügung sogenannter Pouch-Zellen
Zurück zum Termin: Nach einem Kennenlerngespräch führen mich die beiden RWTH-Angestellten durch eine große Halle. Zunächst sehe ich nur Metallregale, auf denen große Holzkisten und Paletten liegen, und zwischendrin steht noch der eine oder andere Apparat in der Größe eines Kühlschranks. Rechts davon befinden sich zwei Büroräume.
Wenige Schritte weiter erblicke ich einen Anlagenverbund zur Herstellung und Zusammenfügung sogenannter Pouch-Zellen. Lithium-Ionen-Batteriezellen bestehen in der Regel aus einer Anode, die typischerweise wiederum aus einer Graphitbeschichtung besteht, und einer Kathode, die entweder Nickel, Mangan, Kobalt (NMC) oder Lithiumeisen-Phosphat (LFP) enthält. Genau um diese Aktivmaterialien geht es beim Batterie-Recycling. „Der Recycling-Prozess beginnt normalerweise auf Ebene des Batteriepacks mit der Entladung und Demontage“, erklärt Domenic Klohs.
Anschließend kämen je nach Art des Prozesses unterschiedliche mechanische und thermische Verfahren zum Einsatz. Das Material wird also zum Beispiel zerkleinert und über Pyrolyseverfahren vorprozessiert. Klohs erklärt: „Das Zwischenergebnis bildet die Schwarzmasse, die auch als ‚Black Mass‘ bezeichnet wird. Das ist ein Gemisch aus Anodenmaterial und/oder Kathodenmaterial und/oder anderen Bestandteilen, das Verunreinigungen enthält. Genau die zu reduzieren und die Schwarzmasse in ihre Materialbestandteile zu zerlegen, ist das Ziel der weiteren Prozesskette.“
Herausforderungen und Möglichkeiten des Recyclings
Auf meine Frage hin, wo denn die aktuellen Herausforderungen des Recyclings liegen, sagt der PEM-Experte: „Die erste liegt darin, dass aktuell keine Standardisierung am Markt existiert. Es gibt zudem sehr viele verschiedene Systemkonfigurationen, Aufbauten, Designs – teilweise auch innerhalb von Konzernen.“ Das habe zur Folge, dass sich auch der Demontageprozess wiederum immer unterscheide. Das macht es Klohs zufolge schwierig, einen Automatisierungsprozess zu entwickeln, der einerseits flexibel genug für verschiedene Batteriesysteme ist und andererseits so robust läuft, dass er sich auch aus wirtschaftlicher Sicht lohnt. „Darüber hinaus haben wir es mit ganz unterschiedlichen Batteriezuständen zu tun. Es können zum Beispiel Unfallbatterien ankommen oder solche, die eine starke Korrosion aufweisen“, ergänzt Natalia Soldan.
Und wie sieht es mit den Überresten aus, also mit der Batterieherstellung und der Verwendung nach der Lebensdauer aus? „Die optimale Weiterverwendung solch größerer Batteriepacks wäre in stationären Speichersystemen, da wir das gesamte Pack oder einzelne Module wiederverwenden können“, antwortet Soldan. Der Einsatz in E-Bikes oder E-Scootern und in Notebooks oder Smartphones sei genauso möglich.
Kein Batterierecycling ohne Demontage
Nach der Runde geht es in den hinteren Bereich der Halle, wo ich zwei große Roboterarme sehe, die von einem Metallzaun umfasst sind. In der Mitte befindet sich ein Tisch, auf dem sich ein riesiges Batteriepack zum Zerlegen befindet. „Das ist meine Spielwiese“, erzählt Klohs. „Wir haben hier zwei Roboter, mit denen wir versuchen, das Batteriepack automatisiert zu demontieren. Dabei betrachten wir einzelne Schritte zunächst isoliert und lassen sie dann automatisiert vornehmen. Langfristiges Ziel ist es, möglichst viele Schritte hintereinander anzugehen.“
Ganz so einfach, wie man sich das vorstellt, sei dies aber nicht, da unterschiedliche Fügeverbindungen, abweichende Zustände und mechanische Verformungen die Demontage erschweren. Deswegen fahren die Ingenieurinnen und Ingenieure mit einem Kamerasystem das Pack ab. „Basierend auf Objekterkennung in Form von neuronalen Netzen setzen wir darauf, einzelne Komponenten zu erkennen“, erklärt Klohs. Von Vorteil sei, dass die Kamera auch tiefensensorische Daten erfassen könne.
Klohs führt aus: „Die Ergebnisse rechnen wir dann in das Roboterkoordinatensystem um, sodass der Roboter den jeweiligen Demontagevorgang vornehmen kann.“ Nichtsdestotrotz werde noch der eine oder andere manuelle Handgriff nötig sein, da etwa der Kabelstrang an vielen Stellen im Gehäuse befestigt ist und durch seine „biegeschlaffen Eigenschaften“ eine automatisierte Demontage erschwere.
Und die neue Batterieverordnung?
Was nehme ich vom Besuch mit? Es fehlen wie so oft wieder mal die nötigen Standards, und es wird noch nicht ganzheitlich gedacht – heißt: Jeder Automobilhersteller kocht sein eigenes Süppchen. Es braucht also ein rasches Umdenken. Macht und Profit sollten weichen, geht es doch auch in diesem Fall darum, unsere Ressourcen zu schonen und die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Allerdings ist inzwischen eine neue EU-Batterieverordnung in Kraft getreten. Sie schreibt Mindest-Recycling-Anteile pro Material vor, so dass ab 2027 Lithium, Nickel, Kobalt und Kupfer recycelt werden müssen. Zudem stellen die Sammlung der „End of Life“-Batterien, die Einführung des Batteriepasses, Maximalgrenzen für den CO2-Fußabdruck, die Gesamt-Recycling-Effizienz und Rückgewinnungsziele sowie Rezyklat-Mindestanteile zentrale Punkte dar. Dies sei laut den PEM-Experten „ein bedeutender Fortschritt auf dem Weg zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft für Batterien“. Jedoch ändere dies nichts daran, dass Hersteller weitgehend die Freiheit genießen, ihre Batterien eigenständig zu entwickeln und zu gestalten.
Über den Lehrstuhl PEM
Im Batterie-Bereich verfolgt das PEM-Team das Ziel, mit anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung zur Steigerung der Qualität, Leistung und Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Senkung der Kosten für Batteriezellen, -module und -systeme beizutragen. Im Fokus stehen dabei die einzelnen Batteriekomponenten und deren Recycling, die Batterietechnik und -sicherheit sowie die Batterieproduktion. Weitere Infos hier: www.pem.rwth-aachen.de
Die Transformation der Automobilwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist in vollem Gange. Deshalb vergleichen wir in einer umfangreichen Studie die Ökobilanz von E-Autos, Plug-In-Hybriden (Benzin/Diesel) sowie konventionell angetriebenen Autos (Benzin/Diesel). Die VDI-Ökobilanzanalyse betrachtet dabei den Umwelteinfluss verschiedener Pkw-Antriebskonzepte am Anwendungsfall von heute produzierten Kompaktklassefahrzeugen. Hierbei stellen wir Thesen für eine klimafreundliche Zukunft vor. Eine These besagt, dass die Forschung und Entwicklung von Batterierecycling weiter vorangetrieben und zielgerichtet gefördert werden muss.
Kommentare
Inzwischen haben 2 Leser einen Kommentar hinterlassen.Man sollte eher versuchen, die Batterien zerlegungsgerecht zu entwickeln als dem jetzigen Scherbenhaufen nachzutrauern und Recyclingapparate für verkorkste Systeme zu entwerfen. Keine Normung vorhanden, Tesla war schneller und alle anderen hinken hinterher. So wird das nichts. Auch die neuronalen Netze werden das nicht retten. Erst denken und überlegen, dann bauen. Derzeit läuft es eher anders herum.
Sehr geehrter Herr Magdans, ich vermute, Sie waren nach dem Besuch genauso enttäuscht wie ich nach dem Lesen Ihres sehr ehrlichen und sehr guten Berichtes. Was angeblich kein Problem ist, entpuppt sich mal wieder als reine Illusion. Zum Glück ist ja schnell ein Schuldiger gefunden und man kann weiter fabulieren, dass man sofort recyceln könne, wenn man einen nur ließe. Also alles schreddern und irgendwo endlagern. Bitte nehmen Sie das nicht persönlich. Ich kritisiere nicht Sie, sondern die öffentliche Darstellung des Recyclen von Batterien. Mit freundlichen Grüßen!
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