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Liebe Leserinnen und Leser, Unternehmen berichten von schwierigen Situationen, wenn es darum geht, junge Talente auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Man hört von ungewohnten Verhaltensmustern und verwirrenden Vorstellungen der Generation Y (1981-1996) und der Generation Z (1997-2009). Manch einer malt auch schon finstere Prognosen für die kommende Generation Alpha (ab 2010) und deren zukünftiges Verhalten an die Wand.
Ein Dilemma, in dem sich die junge Generation befindet, begegnet mir fast täglich an Universitäten: Die jungen Menschen, die heute studieren, sind eine neue Generation und haben natürlich andere Prioritäten als die Generationen vor ihnen. Die Vertreter der heutigen Generation Z sind anspruchsvoller und wollen anders begeistert werden. Es stellt sich die Frage, wie wir diese Menschen zu Leistung und Engagement motivieren können. Dazu gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Rolle finanzielle Anreize spielen und wie man diese Generation dazu bringen kann, aktiv Entscheidungen zu treffen und die Zukunft zu gestallten.
Die wichtigste Frage ist eine ganz andere
Es gibt eine Perspektive, die aus meiner Sicht gesellschaftlich viel zu wenig diskutiert wird: Wie begeistern wir junge Menschen? Und wie bekommen wir unsere Leistungsträger von morgen?
Ich glaube, das ist die wichtigste Frage in und für Deutschland – fast wichtiger als die Entscheidung, welche Zukunftstechnologien wir anpacken und welche nicht. Denn die brillanten Analysen, was man technologisch hätte machen können, sind hinfällig, wenn wir niemanden mehr haben, der die deutsche Ingenieurskunst vorantreibt. Zwar wird viel über die dafür notwendigen Themenfelder diskutiert, die die Zeitenwende auslösen. Da geht es dann um KI, Digitalisierung, Quanten und andere Schlagworte.
Es gibt noch weitere Veränderungen
Jedoch zeichnen sich in meinem Umfeld, also aus der Sicht eines Hochschullehrers, noch weitere Veränderungen ab, die mit den jungen Menschen zu tun haben: Wir wollen die klügsten Köpfe an unsere Universitäten holen, aber es gibt noch viel zu tun. Denn der globale Wettbewerbsdruck nimmt zu; und viele haben die Wahl, in welchem Land sie studieren wollen.
Zudem ist es für die Neuankömmlinge nicht einfach, sich in den zwei bis drei Jahren eines Masterstudiums in Deutschland, an eine andere Kultur und eine andere Sprache zu gewöhnen. Bei uns in der Stuttgarter Elektrotechnik und Informationstechnik kommen heute fast 40 Prozent der Studierenden aus Drittstaaten, also aus Ländern außerhalb der EU. Auch von den übrigen 60 Prozent haben viele einen Migrationshintergrund und sind nicht vollständig im deutschen System groß geworden.
Wie sich Personas von heute bis 2035 entwickeln
Ich möchte hier ein Zukunftsbild vorstellen, das wir in der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik im vergangenen Jahr entwickelt haben. Dort haben wir im Rahmen der Vorbereitung der Studie Automation 2035 untersucht, wer die Leistungsträger, also die Menschen sein werden, die in etwa zehn Jahren unsere Geschicke bestimmen.
Dazu haben wir uns fiktive Personen vorgestellt, die typische Vertreter in unserem Bereich sind. Und wir haben uns gefragt, wie sich diese Personas von heute bis zum Jahr 2035 entwickeln werden. Das heißt, wir haben uns überlegt, wo diese Menschen heute stehen und wo sie morgen sein könnten.
Wenn man mit solchen Personas arbeitet, werden diese Vorstellungen sehr schnell konkret, weil man sie an konkreten Personen festmachen muss, denen man dann bestimmte Eigenschaften zuschreiben kann. Dabei herausgekommen sind die folgende fiktiven Charaktere:
Noah (heute drei Jahre alt) ...
... ist im Jahr 2035 15 Jahre alt und dann Schüler. Er benötigt heute dringend eine positive Perspektive zur Technik (d.h. Begeisterung für Technologie) und Rollenmodelle in der Schule, um seinen Weg finden und gestalten zu können.
Eta (heute knapp 20 Jahre alt) ...
... kommt bald aus dem Ausland nach Deutschland, wird hier studieren, ist leistungsbereit, klug und sucht Anschluss an die hiesigen Kreise. Sie will sich in Deutschland etwas aufbauen und wird im Jahr 2035 Mitte dreißig sein und als Ingenieurin arbeiten.
Jan (heute knapp 30 Jahre) ...
... steht wegen des demografischen Wandels vor großen Herausforderungen bei der Übernahme seines Familien-unternehmens und braucht Kontakt zu erfahrenen Netzwerkpartnern. Im Jahr 2035 ist Jan dann Anfang vierzig und ein erfolgreicher Unternehmer.
Verschiedene Generationen zusammenbringen
Für die Etablierten unter uns, die Babyboomer (1945 – 1964) und die Generation X (1965 – 1989), eröffnen sich nun verschiedene Perspektiven, wie wir die Begeisterung für Technologie und Innovation fördern sollten. Wie können Menschen aus verschiedenen Generationen und Lebensbedingungen zusammengebracht werden und miteinander interagieren?
- Zunächst ist es wichtig und entscheidend, ganz junge Menschen für Technologien zu begeistern und ihnen Orientierung in wichtigen Zukunftsthemen zu geben, damit sie sich einbringen können.
- Darüber hinaus gilt es, Kooperationen zu fördern und gemeinsam neue Technologien zu gestalten. Dies kann durch Initiativen der VDI/VDE-Gesellschaften erreicht werden, die übergreifende Themen aufgreifen und in ihren Netzwerken umsetzen.
Alle sollten profitieren
Die Ansprache junger Menschen stellt eine Herausforderung dar, da sie heute ganz andere Bedürfnisse und Interessen haben. Dennoch ist es wichtig, Brücken zwischen den Generationen zu bauen und einen Austausch zu ermöglichen, von dem alle Beteiligten profitieren.
Wir Etablierten müssen uns dringend fragen: Wie unterstützen wir Menschen wie Noah, Eta und Jan auf ihrem Weg in die skizzierte Zukunft als Leistungsträger einer technologieorientierten Gesellschaft?
Kommentare
Inzwischen haben 2 Leser einen Kommentar hinterlassen.Vielen Dank, Michael, Du triffst den Nagel auf den Kopf. Wir müssen uns tatsächlich die von Dir gestellten Fragen jetzt (!) stellen, damit wir jetzt (!) etwas tun können, um morgen richtig aufgestellt zu sein. Nach einer Umfrage des VDI im letzten Jahr sind 97,8 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt, dass die Entwicklung und Anwendung von Technologien für die Sicherung des Standorts wichtig sind. Dafür brauchen wir Köpfe, Kompetenzen und eine langfristige Perspektive. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Dein Blogbeitrag gibt es in Beispielen ausgezeichnet wieder!
Und: Meine Enkel sind auch im VDIni-Club!
Großartig! Bitte mehr positive Informationen zu diesem Thema! (auch von H.Mell). Ich habe gerade meine siebenjährige Enkelin beim VDIni durch ihre Mama anmelden lassen und natürlich die Patenschaft übernommen. Die beiden kleineren Enkel folgen dann in den nächsten Jahren in den VDIni. Wenn dann später ein Enkelkind Ingenieur werden wird haben wir ---> gewonnen! Herzliche Grüße aus der Senioren-Gartenresidenz in Wentorf von Ingo Grallert
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