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ERKLÄRT
Bild: VectorMine/Shutterstock.com
Energiewende Technik

SpeichertechnologienPower-to-X als Zukunftsträger der Energiewende

Im Gegensatz zu notgedrungenen Übergangslösungen wie die Weiternutzung von Atomkraftwerken stellt der Ausbau erneuerbarer Energiequellen die zukunftsorientierte Lösung dar, um die Strom- und Wärmeversorgung zu sichern. Auch der Ansatz Power-to-X spielt hierbei eine signifikante Rolle.

Derzeit sind die Stromleitungen von Windparks zu Industriestandorten noch ausbaufähig, zumal der allgemeine Netzausbau nicht dem für eine schnelle Energiewende nötigen und in der Vergangenheit bereits festgelegten Planungsstand entspricht. Zudem sollten Entscheider die Dauer der Bau-, Genehmigungs- und Zertifizierungsprozesse von beispielsweise Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen deutlich beschleunigen.

Die größte technologische Herausforderung liegt neben dem Ausbau der regenerativen Erzeugungskapazitäten in dem der Speicherkapazitäten. Diese sind für den zeitlichen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch aufgrund der erhöhten Flexibilitätsanforderungen neben dem Ausbau der Netze zum räumlichen Ausgleich essenziell, um auf die Volatilität im Dargebot der erneuerbaren Energien reagieren zu können.

Sektorenkopplung

Im Vordergrund steht dabei immer die flexible Anpassung von Stromerzeugung und Stromverbrauch an die unterschiedlichen Dargebote der Erneuerbaren. Eine Lösung ist es, möglichst alle „Sektoren“ gemeinsam zu betrachten und kombinieren und damit Synergieeffekte zu nutzen. Die verschiedenen Optionen werden unter dem Begriff Sektorenkopplung zusammengefasst. Die Technologien, die dies ermöglichen, werden auch als Power-to-X-Technologien bezeichnet.

Power-to-X bedeutet die Wandlung elektrischer Energie in einen chemischen Energieträger (gasförmig, flüssig oder fest), in Wärme oder in ein Produkt (Rohstoff, Grundstoff). Damit bietet Power-to-X die Möglichkeit, überschüssige oder explizit dafür erzeugte erneuerbare elektrische Energie in stofflich oder energetisch nutzbarer Form entweder direkt zu nutzen oder für eine spätere Nutzung zu speichern.

Power-to-Gas

Oft ist die Elektrolyse von Wasser ein wesentlicher Basisprozess für die Power-to-X-Prozesskette. Mithilfe von elektrischer Energie wird auf diese Weise Wasserstoff als gasförmiger chemischer Energieträger erzeugt. Dies wird allgemein auch als Power-to-Gas (PtG) bezeichnet. Wenn die Wasserelektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben wird, bezeichnet man den Wasserstoff als sogenannten „grünen“ Wasserstoff, da hierbei kein CO2 entsteht.

Entweder lässt sich der entstehende Wasserstoff direkt verwenden oder verteilen; oder man erzeugt in einer anschließenden Reaktion von Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid oder Stickstoff beispielsweise Methan oder Ammoniak, die durch Nutzung verschiedener Pfade vielfältig eingesetzt werden können. Das so erzeugte grüne Methan kann fossiles Erdgas substituieren.

Power-to-Liquid-Verfahren

Die Erzeugung von flüssigen Kohlenwasserstoffen aus regenerativem Strom, Wasser und Kohlenstoffoxiden über sogenannte Power-to-Liquid-Verfahren ermöglicht eine Umstellung auf defossilisierte Kraft-, Brenn- und Chemiegrundstoffe auch in solchen Anwendungsgebieten, die nicht über eine direkte Elektrifizierung adressiert werden können. Sie stellen langfristig also einen direkten Ansatz zum Austritt aus dem Abhängigkeitsverhältnis von der russischen Gaslieferung und anderen fossilen Pfadabhängigkeiten dar – eine Chance für die Zukunft.

Im Wärmebereich stellen Power-to-Heat-Anwendungen wie beispielsweise Wärmepumpen oder Elektrokessel einen wesentlichen Baustein zur Defossilisierung des Wärmesektors dar. Diese Anlagen gelten heute als ausgereift und werden sowohl in großen Stückzahlen als auch für hohe Leistungen geliefert. Üblicherweise werden sie mit Wärmespeichern kombiniert. Auch im Bereich der Prozesswärme sind neue strombasierte Verfahren in Entwicklung.

Power-to-Heat

Bislang galten Power-to-Heat-Systeme in vielen Anwendungen als unwirtschaftlich, da sie gegen die lange Zeit sehr günstigen Preise für die fossilen Energieträger Gas und Öl konkurrieren mussten. In letzter Zeit verschiebt sich die Situation jedoch zu Gunsten von Power-to-Heat, insbesondere mit den bei guter Planung erreichbaren Jahresarbeitszahlen von modernen Wärmepumpen.

„Power-to-X ist als fester Bestandteil des globalen, erneuerbaren Energiesystems einzuordnen und kann zukünftig wesentlich zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger und zu einer sicheren Energieversorgung beitragen“, so Rolf Bank, der Vorsitzende des VDI-Gremiums VDI 4635 PtX. Dies belegen auch die aktuellen politischen Bestrebungen zur Beschaffung grünen Wasserstoffs. Zwar werden Europa und Deutschland noch auf längere Sicht von Energieimporten abhängig sein, durch die Power-to-X-Technologien lässt sich die Abhängigkeit jedoch mindern.

Richtlinienreihe VDI 4635

Darüber hinaus werden die Power-to-X-Technologien in Deutschland und Europa als wertvolles Gut der Ingenieurwissenschaften entwickelt und eignen sich daher für den Export in solche Länder, die nur über nicht speicherbare oder nur mit erheblichen energetischen Verlusten speicherbare Energien verfügen. Grundvoraussetzung für Power-to-X ist jedoch der rasche Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, damit ausreichende Strommengen aus erneuerbaren Energiequellen für diese Sektorenkopplung zur Verfügung gestellt werden können.

Die Richtlinienreihe VDI 4635 schafft technologische und normungstechnische Transparenz für die Beurteilung von Prozessen der chemischen Industrie, der Wärmetechnik, des Energietransportes und der Energieumwandlung. Denn hohe Energieeffizienz wird noch auf lange Sicht wichtig bleiben bei gleichzeitiger Eignung der Technologien für volatile Lastprofile.

Unsere Autorinnen

Hanna Seefeldt

Johanna Vondran

Kommentare

Inzwischen haben 5 Leser einen Kommentar hinterlassen.
Josef Wagner | 12.07.2023

Ja, ich habe in meiner Berufszeit Anlagen geliefert für die Herstellung von H2 und NH3 für die Kunstdüngerproduktion, insgesamt vermutlich mehr als 12 Anlagen mit einer Tagesleistung von ca. 300 t0. katalytisch aus Erdgas. Dabei waren zahlreiche Länder entlang der Westküste von Afrika. Da gibt es ein wenig Gas und viel Bedarf an Dünger für die magere Landwirtschaft, aber fast keinen Strom.

Bernhard Schulte | 03.03.2023

Solange wir Strom aus Erdgas machen, wird der Strompreis im "merit order"- basierten Marktdesign deutlich oberhalb des Gaspreises liegen. Das liegt am Wirkungsgrad der Gasturbinenkraftwerke. Wenn mit diesem teuren Strom dann Wasserstoff per Elektrolyse hergestellt wird, ist dieser natürlich noch mal teurer. Je weiter die Wertschöpfungskette getrieben wird, desto höher wird der Preis (pro kWh Energie) für das Endprodukt sein. Eine Vermischung von H2 aus dieser Kette mit natürlichem Erdgas wäre pure Wertevernichtung, absoluter Unsinn. Noch schlimmer wird die Betrachtung, wenn man entsprechend dem "Power to Gas"-Prinzip synthetisches Methangas als Substitut für Erdgas einsetzen möchte. Hier gibt es Preisunterschiede bis zu einem Faktor 10! Die benötigte Energie sollte also immer so weit vorne wie möglich in der Wertschöpfungskette genutzt werden. Direkte Stromnutzung ist immer preisgünstiger (und effektiver) als über die Folgeprodukte Wasserstoff oder gar synthetischem Gas. Dieses Problem kann nur durch ein anderes Marktdesign gelöst werden, in dem die Preise von Strom und Erdgas entkoppelt sind.

Christian Flach | 21.12.2022

Ich bin der Meinung, dass wir das Ganze noch größer denken müssen. Europa sollte Partnerschaften mit Ländern anstreben, in denen Solar oder Windenergie in rauer Menge zur Verfügung steht. Zum Beispiel Solarstrom in der Sahel Zone, oder in den ausgedehnten Wüsten der arabischen Halbinsel. Der Strom kann dann vor Ort per PtX in grünes Erdgas verwandelt und in rauen Mengen per LNG Tanker oder Pipeline ins europäische Gasnetz gelangen.
Mit diesem Ansatz können wir schnell dekarbonisieren und den Weg bereiten, bis wir unsere Energieprobleme final durch Kernfusion lösen. Ohne Degrowth, Verarmung breiter Schichten, ohne irrsinnige Hürden bei der Infrastruktur beseitigen zu müssen oder Windräder in Naturschutzgebieten zu forcieren. Mit grünem Gas können wir alles machen; mit gut erprobten Technologien: Mobilität, Strom, Heizung, Industrie - ohne Verzicht, ohne irrsinnige Energiepreise und ohne beispielsweise Bestandsimmobilien auf Teufel komm raus mit Wärmepumpen nachzurüsten.

Ulf Bossel | 20.12.2022

Mit Grünstrom kann man alles machen mit Ausnahme von chemischen Prozessen. Weshalb der Umweg über Wasserstoff? Mit dem für den Betrieb eines H2-Mobils insgesamt benötigtem Grünstrom kann man vier(!) Batteriefahrzeuge betreiben. Beim Heizen ist es noch viel schlimmer: Mit dem Grünstrom für die Beheizung eines Hause mit Wasserstoff könnte man drei Häuser direkt elektrisch und neun mit Wärmepumpe heizen. Die Zukunft gehört einer auf Grünstrom basierenden "Elektronenwirtschaft". Grünstrom vom Hausdach in die Küche statt zum Elektrolyseur und dann über neue Gasleitungen zum Energieverbraucher.

Pfliegensdörfer | 20.12.2022

Wollen wir wirklich aus hier erzeugtem Strom Wasserstoff herstellen, um diesen dann gemischt mit Erdgas zu Heizzwecken zu verbrennen? Da gibt es wohl bessere Möglichkeiten. Wasserstoff wird in der Industrie als Reaktionspartner gebraucht und immer noch aus Erdgas gewonnen. Da anzusetzen wäre doch schneller, besser, billiger.

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