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Von der Mathematikvorlesung bis zu IngenieurpartysAcht Dinge, die jeder im Ingenieurstudium erlebt hat
1. Den Verwandten erklären, was man eigentlich macht (und es irgendwann aufgeben)
Wenn auf der Familienfeier gefragt wird, was man eigentlich macht, ist die Antwort nicht leicht zu geben. Inhaltlich (siehe z.B. Punkt 2.) steigen die meisten Anwesenden nach dem zweiten Satz aus. Geht es um die Zeit nach dem Studium, hat man als Ingenieur ein so breites Spektrum an Möglichkeiten, dass präzise Aussagen auch nicht möglich sind.
2. (Höhere) Mathematik
Man kommt aus der Schule ins Studium, Mathe war meist kein Problem, die Welt ist höchstens dreidimensional, es gibt ein Koordinatensystem und das Volumen einer Kugel berechnet sich mit dieser Formel.
Nun bewegt man sich auf einmal in n Dimensionen, verwendet Zylinder- oder Kugelkoordinatensysteme und das Volumen einer Kugel berechnet sich mit der Formel
(was natürlich das Gleiche wie oben ist). Vielleicht nicht unbedingt an dieser Stelle, aber jeder hat bei Mathe einen Moment völligen Unverständnisses.
3. Rausschmeißer-Klausuren
Auch wenn es natürlich keine böse Absicht der Professoren ist, aber es gibt einfach Klausuren, die dafür sorgen, dass sich der Bestand an Studierenden eines Jahrgangs deutlich reduziert. Dazu gehören gern Fächer wie die bereits erwähnte Höhere Mathematik, von denen es oft mehrere Module zu überstehen gilt. Geht es in anderen Studiengängen darum gute Noten zu erzielen, um später vielleicht einen Vorteil beim Bewerben zu haben, gehört man bei Durchfallquoten von 60 bis 90 Prozent ganz automatisch zu den Jahrgangsbesten, wenn man die Rausschmeißer-Klausur(en) überstanden hat. Hier gilt: Vier gewinnt.
4. Das Karohemd
Keine Vorlesung, ohne das nicht mindestens einer mit der klischeehaften inoffiziellen Berufsbekleidung des Ingenieurs zu sehen ist. Warum das so ist? Keine Ahnung. Aber ein bisschen nerdig sein hat noch keinem geschadet.
5. „Das ist trivial.“
Ähnliche beliebte Phrasen sind „Man findet…“ und „Nach kurzer Umformung…“. Der Dozent einer Vorlesung oder Übung erklärt einen Zusammenhang anhand einer Gleichung, die gerne auch die gesamte Länge der Tafel im Hörsaal einnimmt. Es werden Termumformungen gemacht und dann fällt der Satz: „Das ist trivial.“ Zack, die nächste Zeile ist nur noch ein Drittel so lang, sieht vielleicht sogar bekannt aus. Meine Erfahrung: Sitz man dann bei der Nachbereitung, hängt man garantiert an dieser Stelle und versucht irgendwie nachzuvollziehen, was zur Hölle da passiert ist.
6. Man entdeckt überall Optimierungspotenzial
Mit der Zeit fallen einem im alltäglichen Leben Dinge auf, die doch irgendwie besser gelöst werden könnten. Sei es in Tagesabläufen oder bei bestehenden technischen Lösungen im eigenen Umfeld. Frei nach dem Motto: Das Glas ist nicht halb voll oder halb leer, sondern doppelt so groß wie es sein müsste. Man wird plötzlich kreativ und überlegt, was man mit dem eingesparten Glas oder dem vorhandenen ungenutzten Raum anstellen könnte. Ob damit Geld zu verdient ist, ist erstmal egal, die technischen Möglichkeiten stehen an erster Stelle.
7. Ingenieur-Partys
Kein Studium ohne Party. Natürlich sind die Ingenieurswissenschaften davon nicht ausgenommen, auch wenn der typische Ingenieur nicht unbedingt als Partylöwe bekannt ist. Leider gibt es ein Problem. Jede Party lebt von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Männlein und Weiblein. Schaut man sich die Statistiken der Studierenden an, so sind bei den Ingenieurwissenschaften die Männer leider stark in der Überzahl. Natürlich hat der clevere Ingenieur eine Lösung gegen eine drohende Würstchenparty parat: Party-Kooperationen mit Fachschaften, die hauptsächlich aus Frauen bestehen. Über schlecht organisierte Technik auf einer Ingenieur-Party muss man sich als Gast dafür keine Sorgen machen.
8. „Du bist doch…“
Als angehender Ingenieur in einer WG zu leben kann schon mal schwierig werden. Seien es die ineffiziente Arbeitsweise der Mitbewohner (siehe Punkt 5) oder Sätze wie „Mein [Hier beliebigen Gegenstand einfügen.] funktioniert nicht mehr. Du bist doch Ingenieur, du kannst das doch reparieren.“. Es spielt keine Rolle, dass der Gegenstand schon auf den ersten Blick nicht mehr zu retten ist oder man z.B. als angehendender Bauingenieur (liebe Bauingenieure, bitte nicht falsch verstehen) vielleicht nicht unbedingt weiß, wieso die Waschmaschine nicht mehr läuft. Bei einer WG, die nur aus Ingenieuren zusammengesetzt ist, besteht diese Gefahr WG-intern natürlich nicht. Dafür könnte es passieren, dass man nach Hause kommt und gerade kein W-LAN hat, da jemand den Router auseinander nimmt, weil die Sendeleistung noch optimiert werden könnte.
Man kann die Liste sicherlich noch um einige Punkte erweitern. Allen Studierenden der Ingenieurwissenschaften oder denen, die es noch werden möchten, möchte ich an dieser Stelle Mut machen und euch sagen, dass man sich mit der Zeit an die genannten Schwierigkeiten im Studium gewöhnt und lernt damit umzugehen.
Informationen zum Autor:
Sascha Dessel studierte von 2010 bis 2017 Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Universität Dortmund mit dem Abschluss Master of Science. Im VDI koordiniert und betreut er die Gremien der Fachbereiche Grundlagen & Methoden, Prozessmesstechnik & Strukturanalyse und Fertigungsmesstechnik in der Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik (GMA).
Es macht Spaß, die Technik und Zusammenhänge hinter den Dingen in unserem Alltag zu verstehen. Und, wie immer im Leben, wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Kommentare
Inzwischen haben 7 Leser einen Kommentar hinterlassen.Ich selber habe nie an einer Präsenzuni studiert und kenne daher nur vom Hörensagen, wie das Leben als Student abläuft. Ich kann mir allerdings sehr gut vorstellen, dass man als angehender Bauingenieur merkwürdige Dinge gefragt wird. Wie zum Beispiel warum die Waschmaschine nicht mehr läuft.
Diese Klischees konnte ich bei den Kommilitonen meiner Tochter auch bemerken. Sie hätte sehr gerne in einer Engineering Firma gearbeitet, aber die besagten "Rausschmeißer-Klausuren" haben sie im 3. Semester aufgeben lassen. Sie ist zwar sehr kreativ und technisch begabt, aber das war doch etwas zu viel des Guten.
Es stimmt leider wirklich, dass es einfach Klausuren gibt, die dafür sorgen, dass sich der Bestand an Studierenden eines Jahrgangs deutlich reduziert. Und, dass man überall Optimierungspotential entdeckt, stimmt auf jeden Fall auch. Sobald mein Studium fertig ist, schaue ich mich in der Elektrotechnik nach offenen Stellen als Projektingenieur um.
Ich habe gerade mein Ingenieur Studium aufgenommen. Mein Onkel ist Elektro Ingenieur. Er berichtete mir ebenfalls von Klausuren, die die Größe des Jahrgangs deutlich reduzierten. Das macht mich ein wenig nervös.
Cooler Beitrag zum Ingenieurstudium! Mein Mitbewohner schließt gerade sein Studium zum Ingenieur ab und hat für danach eine Stelle in einem Ingenieurbüro bekommen. Die Punkte treffen so auf meinen Mitbewohner zu! Das Karohemd, das Bedürfnis, alles zu optimieren, und dass niemand genau weiß, was genau sein Beruf sein wird.
"Der liebe Kollege hat 2010/2017 studiert. Ist also ein Digital-Ingenieuer.
Wir haben unser Examen 1955 gemacht, wir sind noch Analog Ingenieure."
"Hmmm... ich muss eingestehen, das hat sich in den letzten 40 Jahren anscheinend im Wesentlichen nicht geändert.
Und das find ich deswegen reziprok trivial !"
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