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GEBILDET
Bild: Krakenimages.com/Shutterstock.com
Bildung Digitalisierung

Produktmanagement und LehreMenschliche Fähigkeiten sind gefragt

Das Produktmanagement befindet sich mitten im Prozess der digitalen Transformation. Auf diese Veränderung muss sich die Lehre angemessen einstellen.

„Ein digitaler Humanismus transformiert den Menschen nicht in eine Maschine und interpretiert Maschinen nicht als Menschen. Er hält an der Besonderheit des Menschen und seiner Fähigkeiten fest und bedient sich der digitalen Technologien, um diese zu erweitern, nicht um diese zu beschränken.“ (Nida-Rümelin/Weidenfeld 2018).

Jeder Bereich, ob Lehre, Wirtschaft, oder Politik, steht unter dem Druck, auch digital handeln zu können. Was das genau bedeutet, ausser irgendwie im digitalen Raum präsent und eloquent zu sein, ist nicht immer klar. Aber fest steht, wie im einleitenden Zitat verdeutlicht, dass durch digitale Technologien nicht nur unternehmerisches Potenzial, sondern auch menschliche Fähigkeiten erweitert werden können. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Menschen dies sogar spontan und in kürzester Zeit zu leisten haben. Plötzlich müssen Meetings und Lehre im digitalen Raum abgehalten werden und auch im privaten Bereich ist das digitale Ich gefordert.

Aber was bedeutet die Digitalisierung für IngenieurInnen im Produktmanagement? Inwiefern ist eine Technologisierung der Prozesse eine Herausforderung und inwiefern gleichzeitig eine Chance zur Kompetenzerweiterung im digitalen Zeitalter? Im Hinblick auf die Veränderungsprozesse durch die digitale Welt, soll hier die Frage diskutiert werden, welche neuen Kompetenzen benötigt werden.

Aktives Einbinden in Prozesse

Die VDI Richtlinie 4520 beschreibt die Aufgaben und Kompetenzen der im Produktmanagement tätigen Menschen in der Vermittlerfunktion im Wertschöpfungsprozess zur Gestaltung und Vermarktung von Produkten. Sie erfüllen dabei die Hauptaufgaben des Managements: Analysieren, konzipieren und koordinieren. So weit, so gut. Die digitale Transformation, also die zunehmende Digitalisierung der industriellen Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik, erfordert nun auch einen stetig fortlaufenden Veränderungsprozess für die KundInnen und deren Wertschöpfungsprozesse.

Die Digitalisierung verkürzt zum Beispiel Wertschöpfungsketten und beeinflusst die industrielle Fertigung. Zentrales Anliegen einer solchen Strategie ist, dass alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette aktiv in die Prozesse eingebunden werden und stets miteinander verbunden sind, sowohl unternehmensintern als auch -extern. Bei genauerem Blick kristallisieren sich hierbei mehrere Kernelemente heraus. Immer mehr Relevanz erhalten zum Beispiel Big Data, künstliche Intelligenz, Cyber-physische Systeme und das Internet der Dinge sowie die intelligente Fabrik (Smart Factory).

Komplexere Kundenanforderungen

Es ist also zu vermuten, dass die Kundenanforderungen an das Produktmanagement zunehmend dynamischer und komplexer ausfallen. Ebenso ist absehbar, dass die durch die Digitalisierung gestiegenen Kundenansprüche auch den strategischen Wandel von einem  produktorientierten zu einem stärker nutzen- und ergebnisorientierten Geschäftsmodell begünstigen. Individuelle Anforderungen lassen sich so leichter berücksichtigen. Zudem erfolgt die Wettbewerbsdifferenzierung der Hersteller in Zukunft vermutlich zunehmend mehr über neue Geschäftsmodelle und die dafür notwendige (digitale) Infrastruktur der Kundenbeziehungen.

Die Relevanz des Kernproduktes nimmt also ab, und der Kunde fordert Gesamtlösungen für seine Smart Factory. Dies erfordert wiederum reibungslose Kommunikation mit Wettbewerbern beispielsweise im Hinblick auf Datenschnittstellen. Und je komplexer die technischen Systeme, die mit anderen Systemen anderer Hersteller verbunden werden, desto schwieriger auch die Zuschreibung von Verantwortlichkeit bei technischen Problemen. Diese kann man nicht auf Maschinen übertragen, denn Maschinen haben keine Moral. Es ist also zu schlussfolgern, dass ein hohes Maß an Kommunikation mit den Kunden notwendig ist. Darüber hinaus ist in dieser Kommunikation Klarheit und Eindeutigkeit nötig, um die Effizienz von Kommunikationsvorgängen zu steigern.

Für angehende ProduktmanagerInnen sind also Lehrinhalte zu den Themen Kommunikationstheorie, Präsentationstechnik und Verhandlungstechnik von größerer Bedeutung, als ihnen jetzt noch zugemessen wird. Denn Big Data kann durch Analysen und Auswertungen zwar bei der Segmentierung von Zielgruppen, bei der Beobachtung der Marktentwicklung, oder bei der Analyse und Auswertung in Echtzeit helfen, allerdings bedarf es weiterhin und umso mehr der Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit der ProduktmanagerInnen, um an der Basis der Ergebnisse die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

Humanistische Bildungsideale

Also, was brauchen Studierende und entsprechend die Studiengänge, um den Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht zu werden? Was sollten wir zwingend verändern, damit angehende Ingenieurinnen und Ingenieure als Produktmanager der digitalen Transformation gewachsen sein können? Es sind die humanistischen Bildungsideale, die aktueller sind denn je. Die neuen Skills lassen sich wie folgt zusammenfassen: Urteilskraft, Entscheidungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Diese Fähigkeiten sind natürlich immer gut, aber besonders in der digitalen Transformation gefragt, um souverän mit Software und Daten umgehen zu können.

Statt Faktenwissen braucht es immer mehr Orientierungswissen und die Fähigkeit, innerhalb komplexer Datenkonstruktionen mit menschlichem Erfahrungswissen Entscheidungen zu treffen. Je komplexer die technischen Systeme sind und werden, desto schwieriger ist es, die Folgen einer Handlung zu erkennen. Dadurch verblasst die Zuschreibung von Verantwortlichkeiten. Sie wird diffuser. Aber Verantwortung lässt sich wie gesagt nicht auf Maschinen übertragen. Und sie zu übernehmen will gelernt sein. Es ist also die Aufgabe der Universitäten und den Lehrenden, die angehenden Produktmanager dabei zu unterstützen, den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Denn die Anforderungen an die Ausbildung zum Ingenieur steigen nicht einfach nur, sondern sie ändern sich in ihren Inhalten und Qualitäten.

Die eingangs gestellte Frage ist also damit zu beantworten, dass die Lehre sich angemessen auf die Herausforderungen der digitalen Transformation einstellen muss, um die angehenden Produktmanager darauf vorbereiten zu können. Das heißt, dass auch über die bisherigen Lösungsansätze wie interdisziplinäre Studiengänge und die Verknüpfung von Wissensgebieten, hinaus gedacht werden muss. Denn wenn die neuen drei Kernelemente Urteilskraft, Entscheidungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein bedient werden sollen, reicht es nicht, sich technisch abstrakt auf eine neue Komplexität der Produkte und Prozesse einzustellen.

Es braucht die Fokussierung auf menschliche Fähigkeiten, die neben der technischen Potenziale neue Relevanz gewinnen. Um diese Fähigkeiten auszubauen, sollte sich die Lehre praxisorientierter gestalten, da diese Skills erfahren und geübt werden müssen. Man kann sie nicht theoretisch erlernen wie die Abläufe digitaler Systeme. Die Ingenieursausbildung ist ein gutes Fundament; aber sie reicht nicht aus, um digitales Wissen erfahrbar und die Studierenden der Zukunft zu intelligenten Allroundern zu machen.

Quelle

Nida-Rümelin, Julian / Weidenfeld, Nathalie (2018): Digitaler Humanismus: Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. München, Piper Verlag.

Unser Autor

Dr.-Ing. Frank Häuser

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