Rubriken
Herrscht in einem Behälter, zum Beispiel in einem Schnellkochtopf oder Dampfkessel, hoher Druck, so kann dieser Behälter explodieren. Der hohe Druck innen entspannt sich schlagartig – es knallt, und größere sowie kleinere Teile fliegen in alle Richtungen. Auch die Dampfkessel von Lokomotiven sind durch Druck- und Temperaturwechsel hohen, wechselnden Belastungen ausgesetzt. Dadurch kann das Material ermüden. Passiert das, so reißt das Material. Das passiert nicht langsam, sondern plötzlich.
Bei der Explosion einer Lokomotive in Leuna 1977 beispielsweise wurde bei der Kesselexplosion der größte Teil des Kessels – viele Tonnen Stahl – 40 Meter weit geschleudert. Dabei beträgt der Überdruck im Dampfkessel einer Lok „nur“ bis zu gut 20 bar. Wegen dieser Gefahr muss man Dampfkessel regelmäßig überprüfen. Diese Gefahr war beispielsweise Anlass für die Ausgründung des Dampfkesselüberwachungsvereins – aus dem später der TÜV hervorging und die ersten VDI-Richtlinien.
So viel sei zur Explosion gesagt.
Eine Frage des Druckverhältnisses
Eine Implosion kann passieren, wenn in einem Behälter der Druck niedriger ist als in der Umgebung.
Auf der Erdoberfläche drückt ständig die Luft der Atmosphäre auf alles. Der Umgebungsdruck beträgt etwa ein bar (oder 100.000 Pa). Wenn man die Luft aus einer Plastiktüte absaugt, dann schrumpelt die Tüte langsam zusammen. In der Tüte entsteht gar kein nennenswerter Unterdruck, weil die Tüte keine feste Form hat. Ihr Volumen nimmt einfach immer mehr ab. Ähnliches passiert, wenn man einen Ball immer tiefer unter Wasser drückt: Er wird langsam kleiner – immer gerade so weit, dass der Druck innen in etwa so hoch ist wie außen.
Ganz anders bei einem Druckbehälter: Mit zunehmendem Druckunterschied zwischen Innen und Außen ändert sich die Form des Behälters noch nicht, weil der Behälter steif ist; er ist ja gerade so gebaut, dass er auch bei hoher Belastung seine Form behält, um innen den gewohnten atmosphärischen Druck zu halten. Doch irgendwann ist die Festigkeitsgrenze des Materials erreicht, und der Druck gleicht sich aus. Das geschieht umso schneller, je größer der Druckunterschied ist. Kollabiert der Behälter schlagartig, spricht man von einer Implosion.
Zur Zerstörung des Tauchboots Titan
Die Zerstörung des Tauchboots Titan ist vermutlich ähnlich verlaufen: In 3.800 Meter Wassertiefe herrscht außerhalb des Druckbehälters ein nahezu unvorstellbar hoher Druck, nämlich rund das 400-fache des atmosphärischen Luftdrucks. Der Druckbehälter der Titan wird dem Außendruck vermutlich sehr lange standgehalten haben. Er wurde konstruiert, um Drücken in dieser Tiefe zu widerstehen, und die Titan hat solche Tauchfahrten schließlich schon über viele Jahre absolviert.
In dem Moment, da das Material des Druckbehälters nachgab, wird das darin befindliche Luftvolumen binnen Sekundenbruchteilen auf 1/400 seines Volumens komprimiert worden sein. Den entsprechenden „Knall“ – die plötzliche Druckschwankung – haben US-amerikanische Unterwasserortungssysteme registriert. Solche Systeme dienen vor allem zu militärischen Zwecken, wie der Ortung von U-Booten. Sie verzeichneten zum Zeitpunkt des Kommunikationsabbruchs zwischen der Titan und ihrem Mutterschiff eine Anomalie.
Plötzliches Versagen des Druckbehälters
Diese Systeme zeichnen nicht nur das Ereignis an sich auf, sondern auch die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Durch Triangulation der Messungen mehrerer Stationen lässt sich dann der Ort des Ereignisses (oder der Aufenthaltsort eines belauschten U-Boots) bestimmen. Dass die Peilungen der Anomalie zum letzten bekannten Aufenthaltsort der Titan passen, lässt das plötzliche Versagen des Druckbehälters, die Implosion, wahrscheinlich erscheinen. Die Insassen des Tauchboots dürften kaum die Chance gehabt haben, überhaupt zu erkennen, was geschah.
Über die Gründe lässt sich natürlich spekulieren. Der Druckbehälter des Tauchboots bestand nicht nur aus Metall; er hatte auch Fenster. Auch sie können durch Wechselbelastungen – Abtauchen bis auf 3.800 Meter, Auftauchen, und das über die letzten Jahre immer wieder – ihre Festigkeit verlieren. Auch menschliches Versagen lässt sich möglicherweise nicht ganz ausschließen.
Striktes Protokoll unerlässlich
Die Vorbereitung eines solchen extremen Tauchgangs bedarf eines strikten Protokolls, etwa hinsichtlich des Schließens der Luken und aus sonstigen Gründen. Ohne genaue Kenntnis des Boots fällt es schwer, hier die Fehlermöglichkeiten und die Auswirkungen vermuteter Fehler abzuschätzen. Doch werden durch die extremen Bedingungen auch die Auswirkungen von Fehlern, die unter gewöhnlicheren Bedingungen keine spektakulären Folgen hätten, wahrscheinlich gravierender.
Der Betreiber der Titan wird sich der Frage stellen müssen, in welchen Intervallen und mit welchen Methoden er die fortgesetzte Sicherheit seines Geräts regelmäßig überprüft hat, und welche Sicherheitsprotokolle zur Anwendung kamen, um menschliches Versagen möglichst auszuschließen.
In Flugzeugen werden viele Mal pro Sekunde eine Vielzahl von Messwerten und Parametern aufgezeichnet, um im Fall eines Absturzes Ursachenforschung betreiben zu können. Der Datenspeicher ist in einer sogenannten Black Box untergebracht. Diess Box wird so robust konstruiert, dass die Aufzeichnungen auch die völlige Zerstörung des Flugzeugs überstehen. Ob die Titan eine solche Black Box hatte?
Kommentare
Inzwischen haben 7 Leser einen Kommentar hinterlassen.Hallo @Stephan Kaula, die genaue Form der Druck-Zeit-Kurve hängt von vielen Faktoren ab, neben den Materialeigenschaften des Objekts vom äußeren Druck und der Dynamik der Implosion selbst. Anders als bei der Implosion einer Gasblase bei Kavitation ist zu vermuten, dass die Druck/Zeit-Kurve bei der Implosion eines Containments eher „unordentlich“ als schön gleichmäßig verläuft. Letztlich reden wir generisch über eine Oszillation. Das heißt, man würde vermuten, dass sich analytisch Kurvenverläufe berechnen lassen, die, abgesehen vom Vorzeichen, bei beiden Vorgängen ziemlich ähnlich sind. Ob man die Details des Kurvenverlaufs „sehen“ kann, dürfte von den Materialkonstanten der beteiligten Stoffe abhängen. Freundliche Grüße vom VDI-Team
Eine Frage: Verhält sich die Druck-Zeitkurve einer Implosion von den Druckverhältnissen genau spiegelverkehrt gegenüber einer Explosion? Also zunächst eine steile Absenkung und dann ein Rebound ins Positive und je nach Medium einem Nachklingen?
Danke, Hans, Hanspi, Dr. Hemptenmacher und Herr Wolk für die Ergänzungen.
Ja, _Ex_plosionen sind vom Mechanismus her von _Im_plosionen verschieden, gar keine Frage. Ich habe sie aber auch nicht gleichgesetzt, sondern zur Abgrenzung auch die - deutlich bekanntere - Explosion knapp erläutert. Es gibt indes auch eine Reihe Gemeinsamkeiten, darunter eben auch den plötzlichen Verlauf.
Die Homogenität der Belastung wie auch der Materialeigenschaft ist immens wichtig. Eine Eindellung (z.B. durch eine lokal abweichende Festigkeit des Materials) führt zu einer lokalen Inhomogenität der Druckverhältnisse, deren Folge dann das Versagen des gesamten Behälters sein kann. Und an Schnittstellen zwischen verschiedenen Materialien treten zwangsweise Inhomogenitäten auf. Gleichermaßen kann eine Kollision zu lokal variierenden Belastungen führen.
Ich weiß nicht, ob wir sicher herausfinden werden, was zur Zerstörung der Titan geführt hat. Ich bin gespannt, welche Ergebnisse die Untersuchung der Trümmer liefern wird.
Sehr geehrter Herr Wollstein, zunächst vielen Dank für Ihre Erläuterungen, die schon einmal grundsätzliche Unterschiede zwischen Explosion und Implosion klarstellen. Für diejenigen, die ein wenig mehr ins Detail gehen wollen, sollte man noch darauf hinweisen, dass für einen Druckbehälter sich die Belastungsfälle Innendruck und Außendruck grundsätzlich unterscheiden und für die Berechnung der Belastungsgrenze unterschiedliche Ansätze gemacht werden müssen. Bei einem Behälter für Innendruckbelastung kommt es zu einer Streckbeanspruchung der Druckbehälterwandung, das Wandmaterial wird gedehnt und bei Überbeanspruchung reißt es. Wenn ein Behälter aus CFK-Material aufgebaut ist, dann können die Kohlefasern aufgrund ihrer hohen Zugfestigkeit (bei kleinem Eigengewicht) sehr gut die Streckbeanspruchung ertragen, weshalb Druckbehälter aus CFK-Material durchaus gebräuchlich sind (vor allem, wenn es auf geringes Gewicht ankommt). Bei einem Behälter unter Außendruckbeanspruchung sind die Verhältnisse grundsätzlich anders. Bei einem zylindrischen Druckkörper (wie bei der Mittelsektion der TITAN) wird das Wandmaterial nicht gedehnt, sondern gestaucht. Solange der Druckkörper vollkommen rund (!) und homogen (!) ist und auch der Umgebungsdruck gleich (!) ist, kann der Druckkörper tatsächlich einen hohen Druck aushalten. In der Praxis hat ein Druckkörper immer noch eine gewisse "Unrundheit", das CFK-Material ist prinzipiell inhomogen und anisotrop (hat je nach Beanspruchungsrichtung unterschiedliche Eigenschaften), und selbst der Außendruck (der hydrostatische Tauchdruck) ist an der Unterseite des Bootes etwas höher als an dessen Oberseite (bei 2 Meter Durchmesser um ca. 0,2 bar). Dies alles führt zu einer Beulbeanspruchung des Druckkörpers, bei der die Festigkeit gegen Einknicken der Wandung die entscheidende Rolle spielt. Sobald hier bei der TITAN die Wand einbeult, führt dies schlagartig zum vollständigen Kollaps bzw. zur Implosion. Bei einem metallischen Druckkörper ist dieser Versagensmechanismus sicherlich gleich, doch lässt sich hier die Festigkeitsgrenze wegen der Homogenität und Eigenschaften des Materials besser beurteilen als bei einem CFK-Druckkörper, weshalb Tauchboote für große Tiefen nicht ohne Grund metallische Druckkörper haben. Der "innovative" CFK-Druckkörper der TITAN sollte Druckfestigkeit bei niedrigem Eigengewicht ermöglichen (um in dem gegebenen Volumen höhere Nutzlasten aufnehmen zu können). Es sieht so aus, dass die Dauerfestigkeit hier nicht gegeben war und so zu dem tragischen Unglück geführt hat.
Sehr geehrter Herr Wollstein,
der Vergleich mit dem spektakulären "Kesselzerknall" in Bitterfeld finde ich sehr naheliegend, Ihre Erklärung ist aber doch viel zu simpel. Die gewaltigen Kräfte wurden letztendlich nicht durch Überdruck, sondern zunächst auch durch das Nachgeben des trocken gefahrenen und überhitzten Wasserbehälters freigesetzt. Der schlagartige Druckabfall ließ das verbliebene, überhitzte Wasser dann schlagartig in den gasförmigen Zustand übergehen und setzte so diese viel höheren Kräfte frei. Darum spricht man auch nicht von einer "Explosion" sondern eben von dem "Kesselzerknall" - auch wenn es etwas altmodisch klingt ...
Mit bahnsinnigen Grüßen, Jörg Hemptenmacher
Zitat: Bei der Explosion einer Lokomotive in Leuna 1977 beispielsweise wurde bei der Kesselexplosion der größte Teil des Kessels – viele Tonnen Stahl – 40 Meter weit geschleudert. Dabei beträgt der Überdruck im Dampfkessel einer Lok „nur“ bis zu gut 20 bar.
Danke Thomas, das hilft ganz sicher vielen Menschen diese Vorgänge zu verstehen. Das erste Mal, als ich von Materialermüdung (fatique) gelesen hatte, war in dem 1950er-Jahren nach dem Absturz des Düsen-Passagierfliegers "Comet" in den "Hobby"-Heften, die mich zur Technik geleiteten. Bei Flugzeugen wird seither streng darauf geachtet.
Besten Gruß, Hans
Strukturen unter Druckbelastung können beulen, was zum Kollaps führt. Dabei können kleine Unregelmässigkeiten die Beul-Last stark senken. Es stellt sich die Frage, mit welchen Sicherheiten hier entwickelt wurde und ob eben genau so eine Imperfektion (in Fenster, Tragstruktur, ...) zum Versagen geführt hat.
Diskutieren Sie mit uns