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ERKLÄRT
Bild: Toa55/Shutterstock.com
Klimaanpassung Umweltbewusstsein

Vorgartengestaltung und ihre FolgenWeshalb Schottergärten gar nicht gut fürs Klima sind

In der Nachbarschaft finden sich oft Häuser mit einem Vorgarten, der aus Steinen besteht oder komplett zugepflastert ist. Aber für das lokale Klima sind derartige Schottergärten nun wahrlich nicht die beste Wahl.

Schottergärten sind überwiegend eingefriedete Landstücke, die häufig als Vorgärten angelegt sind. Sie bestehen aus gebrochenen und deshalb meist kantigen, dunkelgrauen Mineralstoffen (ø ≈ sechs Zentimeter). Die Bruchkanten führen bei endgültiger Lagerung zu mehr oder weniger großen Hohlräumen zwischen den Steinen, die, bei Trockenheit, mit Luft gefüllt sind.

In Deutschland sollen mehr als 15 Prozent aller Vorgärten eine Schotterbedeckung aufweisen. Zugeschotterte Flächen wirken sich auf viele Umweltbereiche nachteilig aus, zum Beispiel auf die biologische Artenvielfalt und die Pflanzenbeschattung, das Regenwassermanagement, die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie die Abgabe von Sauerstoff (O2), die Luftreinhaltung und das Klima. Auf letztgenanntes Umweltmedium will ich im Folgenden näher eingehen.

Schottergärten nennen manche auch Schotterwüsten ...

Schottergärten sind in Bezug auf ihr thermisches Klima demjenigen von natürlichen Schotter- bzw. Kieswüsten, zum Beispiel in der Sahara, sehr ähnlich. Das will ich nachfolgend an einem Beispiel verdeutlichen:

An einem Sommertag mit einer Temperatur von über 25 Grad Celsius heizt die Sonneneinstrahlung das dunkle Steinmaterial wegen seiner geringen Reflexion stark auf. Oberflächentemperaturen von 50 bis 60 Grad Celsius sind dann, im Vergleich zu wesentlich kühleren Grünflächen, keine Seltenheit. Die zwischen den Schotterstücken bestehenden luftgefüllten Hohlräume lassen wegen mangelnder Wärmeleitung kaum Energie in den Untergrund abfließen. Die Wärme verbleibt somit überwiegend in der oberflächennahen Schicht.

Letztlich tragen sowohl die dunkle Farbe als auch die fehlende Ableitung der Wärme in den Untergrund zu den genannten hohen Oberflächentemperaturen bei. Allein die Wärme, die dadurch abgestrahlt wird, kann bis zu 700 Watt pro Quadratmeter betragen. Nimmt man einmal an, dass ein kleiner Vorgarten eine Fläche von zehn Quadratmeter aufweist, würden sieben Kilowatt auf dieser Fläche für die Erwärmung bereitstehen. Dies entspräche der Leistung von mehr als drei Haarföhnen à zwei Kilowatt. Letztere würden dann über die Dauer eines solchen Tages Wärme produzieren.

Im mitteleuropäischen Klimabereich treten bereits mehr als 35 derartige Sommer-Tage pro Jahr auf – mit steigender Tendenz. Man legt somit aus klimatischer Sicht eine Wüste vor der eigenen Haustür an, die dem thermischen Verhalten von Schotter- bzw. Kieswüsten in nichts nachsteht. Das Problem ist, dass wenn die Sonne scheint und es sehr warm ist, nicht nur Kühlung fehlt, sondern, im Gegenteil, auch noch Wärme produziert wird – und das in erheblichem Maße.

Was passiert, wenn es regnet?

Regnet es auf einen Schottergarten, so fließt das Wasser nach Benetzung der Steine entweder seitlich ab oder versickert durch die Schotterdecke in den darunterliegenden Boden, falls eine abdichtende Membran („Unkrautvlies“) im Untergrund dieses nicht verhindert. Das durch den Schotterkörper abgeflossene Wasser kann jedoch anschließend nicht verdunsten, denn der Schotterauflage fehlt die dafür notwendige Kapillarität, die zum Beispiel in einem natürlichen Boden den aufsteigenden (Verdunstungs-)Wasserstrom auszeichnet. Daraus resultiert, dass die durch die Verdunstung verursachte Abkühlung durch einen Schotterkörper unterbleibt. Das soll an einem (wiederum vereinfachten) Beispiel erläutert werden:

Die vorherrschenden Klimaverhältnisse (Daten für Deutschland) sollen bei einem natürlichen bewachsenen Boden eine mittlere Verdunstung (Evaporation und Transpiration) von 500 Liter Wasser pro Jahr und Quadratmeter (= 500 Millimeter im Jahr) zulassen. Bei einer angenommenen Vorgartenfläche von zehn Quadratmeter entspricht das 5000 Liter pro Jahr. Die Verdunstung von einem Liter Wasser kann unter Normalbedingungen mit 0,7 Kilowattstunden angesetzt werden. Bei der Verdunstung von 5.000 Litern Wasser werden der Umgebung somit 3.500 Kilowattstunden pro Jahr entzogen, wodurch diese gekühlt wird.

Jährlicher Energiebetrag eines Dreipersonenhaushalts

Von großem Vorteil ist es, dass der Verdunstungsprozess im Wesentlichen in den warmen Monaten des Jahres stattfindet, in denen Abkühlung erwünscht ist. Praktisch kann man sich diesen Energiebetrag als „Jahresstromverbrauch“ eines deutschen Dreipersonenhaushalts vorstellen. Am Beispiel des derzeitigen Strompreises (0,30 Euro pro Kilowattstunde) monetarisiert, entspräche das Kosten von über 1.000 Euro im Jahr, für die ein Vorgarten besagter Größe kühlte, falls ein natürlicher Bewuchs mit intaktem Boden vorhanden wäre und kein Schotter den Boden bedeckte.

Hinsichtlich des Regenwassermanagements wird ein Schottervorgarten meist als versiegelte Fläche eingestuft. Im Gegensatz zu natürlichem Bewuchs mit Sträuchern, Bäumen beziehungsweise Gras oder Rasen, kann, wegen des fehlenden Blattwerks einer Schotteroberfläche, der Regen daher nicht zurückgehalten werden (fehlende Blattbenetzung = Interzeption; Transpiration). Dadurch werden Abflussspitzen unvermindert weitergeleitet.

In vielfacher Weise schädigend für die Umwelt

Zugeschotterte Vorgärten wirken sich in erster Linie nachteilig auf das lokale Klima des betreffenden Grundstücks aus. Bei zahlreich auftretenden Steinflächen ist durch den Summationseffekt allerdings auch eine größer räumige thermisch-klimatische negative Wirkung zu erwarten.

In Zeiten des globalen Klimawandels sollten deshalb natürliche, versickerungs- und damit verdunstungsaktive Flächen zur Reduzierung der Überwärmung, insbesondere in bebautem Gebiet, Vorrang haben. Summa summarum ist festzustellen, dass Schottergärten aus klimatischen, aber auch aus ökologischen Gründen nicht angelegt werden sollten, da sie der Umwelt in vielfacher Weise schädigen.

Unser Autor

Prof. Dr. Wilhelm Kuttler, Vorsitzender des Ausschusses „Klima“, Fachbereich II der KRdL

Kommentare

Inzwischen haben 16 Leser einen Kommentar hinterlassen.
BBI | 27.07.2023

Thema Kunstrasen: Der wird noch heißer als harte Oberflächen wie Beton und Asphalt, weil der Flaum als Hitzefalle für das Sonnenlicht wirkt. 60 bis 80 Grad Celsius an heißen, windstillen Tagen sind keine Seltenheit. Außerdem ist es rechtlich eindeutig Überbauung, befestigter Unterbau mit Plastikteppich drauf. "Begrünung" meint rechtlich auch Pflanzenverwendung; Plastikgrün und grüngestrichener Beton erfüllen also das Begrünungsgebot der Landesbauordnungen nicht. Nebenher müsste er auf die Grundflächenzahl angerechnet werden und ist i.d.R. keine genehmigungsfreie Bebauung und auch nicht explizit genehmigungsfähig (Falschauskunft von Behördenmitarbeitern oder Kunstrasenhändlern ändert die Rechtslage nicht!).

Kauffmann | 26.07.2023

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Kuttler, wir freuen uns über Ihren Einsatz für eine bessere Welt und besonders für Ihre Stimme gegen diese Schottergärten. Mit unserem Wissen zur Gestaltung einer lebenswerten Umwelt ist es mehr als unverständlich, dass heute noch derartige Gestaltungsmöglichkeiten zugelassen werden. Ob Wärmespeicherung und Wärmeabstrahlung, Wasserversickerung, Feinstaubbindung, Luftqualität, Insektenfeindlichkeit aber auch das Fehlen der grünen Farbe für unsere Augen sind nur einige Punkte die gegen diese naturfeindliche Oberflächengestaltung spricht. Warum wird ein derartiges Handeln nicht verboten und eine Grünflächengestaltung schon in den Bebauungsplänen festgeschrieben? Es gibt doch inzwischen genügend Kommunen die sich um eine umweltgerechte Ortsgestaltung zum Wohle Ihrer Bürger einsetzen, diesen Bemühungen muß unsere Unterstützung gelten!! Danke! Es geht mir nicht um Verbote, aber der Vernunft unserer Mitbürger ist leider nicht anders beizukommen um unsere Umwelt auch für die kommenden Generationen lebenswert zu gestalten. Wo sind die politischen Kräfte in unserem Land die dieses Handeln unterbinden??

Michael Rosemeyer | 21.07.2023

Da Klima Vergangenheit ist, kann sie nichts schädigen.

2016 wurde als wärmstes Jahr seit 1900 mit Global 14,8 Grad Celsius ausgerufen. Bis Ende 2022 wurde die globale Wohlfühl-Temperatur von 15 Grad Celsius bei über 400 ppm CO2 nicht überschritten, gemäß IPCC ist jedoch keine Menschen verursachte Erwärmung vorhanden; basierend auf NOAA-Daten:

https://temperature.global/
(18.07.2023: 14,15 Grad Celsius bei 424 ppm CO2)

Physik-Nobelpreisträger von 2022 kritisiert «Klimanotstand» als «gefährliche Korruption der Wissenschaft»:

https://transition-news.org/physik-nobelpreistrager-von-2022-kritisiert-klimanotstand-als-gefahrliche

Josef Wagner | 12.07.2023

Bei meinem Freund in den USA (SO-Staat) ist es verboten, diese Vorgärten mit den üblichen Sträuchern zu bepflanzen. Es dürfen wegen der Wasserknappheit nur solche Pflanzen für dürre Böden verwendet werden.
MfG, Josef aus Wien

VDI | 12.07.2023

Hallo zusammen und vielen Dank für die zahlreichen Kommentare, die wir wie folgt auch noch kommentieren möchten.
Nun, der weitaus größte Teil der Sonnenstrahlung bewirkt die Erwärmung der Erdoberfläche, aller Objekte an der Erdoberfläche, in der Atmosphäre und die Verdunstung von Wasser. Zur Bestimmung der Wirkung der solaren Strahlung ist entweder die Kenntnis der Wirkungsspektren oder des effektiven Wirkungsgrads notwendig. Bei der Erwärmung etwa ist es der spektrale Absorptionsgrad der entsprechenden Oberfläche.
Steine speichern gewiss auch einen Teil der Wärme, geben diese aber ebenso an die Umgebungsluft ab – auch dann, wenn keine Sonne mehr strahlt und die Oberfläche sich nicht mehr erhitzt. Das ist schließlich der Grund, warum versiegelte Strukturen wie in Städten eine Wärmeinsel im Vergleich zum Umland darstellen und auch in den Nachtstunden wesentlich höhere Lufttemperaturen aufweisen als das Umland.
Sonnige Grüße vom VDI-Team

Werner Trost | 12.07.2023

Als Alternative gibt es auch Holzschottergärten, die sich nicht nur erwärmen, sondern sogar auch brennen können! Und das sollte auch bedacht werden:
1. Weise steine heizen sich nicht so stark auf.
2. Ein grüner Schottergarten braucht im Sommer zum Grünen immer Wasser, und das wird immer wertvoller!
3. Unser Dachwasser gehört in den Garten und nicht in die Kanalisation.
4. Seit 2018 vertrocknen bei mir nach und nach Bäume, nur noch drei haben volles Grün, die vom Dach bewässert werden!

Efstratios Rigos | 12.07.2023

«Das Problem ist, dass wenn die Sonne scheint und es sehr warm ist, nicht nur Kühlung fehlt, sondern, im Gegenteil, auch noch Wärme produziert wird – und das in erheblichem Maße.» Hier irrt der Autor aus meiner Sicht. Denn wenn die Sonne scheint, produzieren die Steine keine Wärme, sondern sie speichern die Wärme.

Burkhard Rieche | 11.07.2023

Die Energieströme in der Darlegung sind einleuchtend. Die Begründung für die Anlage einer Schotterwiese, wie von Herrn Unterreiner beschrieben, legen doch ein anderes Problem dar: Wie kann ich als älterer Mensch mein Eigentum naturgerecht erhalten? Die erforderliche Arbeit kann oder will ich nicht leisten. Ist da nicht die Änderung der Lebensbedingungen zu überlegen? Wie viel Wohn- und Lebensraum brauche ich? Und: Liegen Wildwiesen nicht im Trend? Also nur Mut! Auch in "ordentlichen" Wohngebieten!

Jochen Mextorf | 11.07.2023

Dunkle Schottergärten im Bereich der Wärmepumpe heizen die Luft auf und verbessern den Wirkungsgrad.

Richard Unterreiner | 11.07.2023

Ich lese nur von Nachteilen. Ist man der Frage nachgegangen, warum die Besitzer eines Vorgartens diese „Anlageweise“ vorgenommen haben? Ich bin überzeugt, dass es sich dabei meist um ältere Menschen handelt, die physisch wie finanziell nicht mehr in der Lage sind, den Vorgarten entsprechend zu hegen und zu pflegen. Also wird ein pflegeleichter Garten angelegt. Nach meiner Ansicht besser als ein verwilderter, wildwuchsiger Vorgarten, der auch keine Visitenkarte darstellt.
Wie gesagt, für mich wird hier sehr einseitig, ausschließlich von einer Seite argumentiert? Und dann auch noch gleich Verbote auszusprechen, ist typisch schulmeisterhaft.

Dr. Martin Flügge | 11.07.2023

Bitte immer auch die Alternativen aufzeigen. Schönheit, Nutzen und Ästhetik gehen doch Hand in Hand.

Zum Beispiel hier:

https://naturgarten.org/

https://www.hgon.de/fileadmin/HGONContent/01-HGON/Arbeitskreise/Rheingau-Taunus_und_Wiesbaden/JB_AK-WI-RTK_2022.pdf

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/planung/26659.html

Mit freundlichen Grüßen aus Hessen!

Gabriele Hösch | 11.07.2023

Als Gartenbauingenieurin im VDI und gelernte Staudengärtnerin kann ich Ihnen für die nachhaltige, pflegeleichte Bepflanzung Ihres (Vor-)Gartens die standortgerechten Mischpflanzungen unter https://www.bund-deutscher-staudengaertner.de/cms/staudenverwendung/mischpflanzungen/mischungen_so_tr.php ans Herz legen. Kombinieren Sie mit Gehölzen, um Schatten auf die Fläche zu bringen, was den Klimaeffekt verstärkt. Mit freundlichen Grüßen, Dipl.-Ing. agr. Gabriele Hösch

Dr.-Ing. Toni Weiss | 11.07.2023

Die Frage nach Kunstrasen kann jetzt nicht wirklich ernst sein? Denn schon die Herstellung ist umweltschädlich, und dann wird noch der Wärmeaustausch mit dem Boden verhindert. Lediglich die Wärmeaufnahme und die Abstrahlung werden reduziert.

Dieter Böttinger | 11.07.2023

Schottergärten sind nicht nur scheußlich, sondern zumindest in Baden Württemberg auch noch verboten. Nachzulesen in der Landesbauordnung für BaWü § 9 Zitat: "Nichtüberbaute Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für andere zulässige Verwendung benötigt werden." Leider kümmern sich die Baurechtämter nicht um dieses Verbot.

Heinz Lichter | 11.07.2023

Schottergärten sind scheußlich!

Hans | 11.07.2023

Hallo, vielen Dank für den guten Artikel! Mich interessiert, wie die Klimabetrachtung bei Kunstrasen aussieht? Dabei wird ja eine Schotterfläche durch Kunststoff abgedeckt. Wird damit der Klimaeffekt verbessert?

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