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Das Wetter schlägt Kapriolen: Von heute auf morgen Dauerregen, davor monatelang fast ununterbrochen Hitze und Trockenheit – der Sommer 2022 ist da kein Einzelfall. An diese Folgen des Klimawandels muss sich auch Düsseldorf anpassen. Denn 1,5 Grad Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1881 sind hier längst Realität.
Das Zentrum KlimaAnpassung und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hatte vom 12. bis 16. September 2022 bundesweit erstmals eine Woche der Klimaanpassung ausgerufen. Sie ist Bestandteil des „Sofortprogramms Klimaanpassung“, das Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Frühjahr 2022 vorgestellt hatte. Organisiert wurde die Woche der Klimaanpassung vor Ort durch das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz Düsseldorf.
Düsseldorf arbeitet seit einigen Jahren in der Klimaanpassung mit der französischen Stadt Toulouse zusammen – ihrem Klimazwilling. Die Klimaprojektionen des Deutsche Wetterdienstes weisen darauf hin, dass Ende des Jahrhunderts in Düsseldorf Temperaturverhältnisse auftreten können, wie sie heute schon in Toulouse Realität sind. Toulouse dient daher sozusagen als Reallabor: Die Stadt Düsseldorf kann viel von Klimaanpassungsmaßnahmen in Toulouse lernen.
VDI-Richtlinien setzen neue Maßstäbe in der Klimaanpassung
Während der Woche der Klimaanpassung trugen tägliche Spaziergänge und Führungen dazu bei, interessierten Personen die aktuellen und geplanten Maßnahmen zur Klimaanpassung vor Ort vorzustellen. Elke Cardeneo, im Düsseldorfer Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz zuständig für das Stadtklima und die Klimaanpassung in der Abteilung Kommunales Klimamanagement, erläuterte beim Klimaspaziergang Mitte September, wie der Düsseldorfer Innenstadtbereich auf die immer häufiger vorkommenden Hitzeperioden vorbereitet werden kann.
Die Richtlinien VDI 3787 Blatt 8 „Umweltmeteorologie; Stadtentwicklung im Klimawandel“ sowie die VDI 3787 Blatt 1 „Umweltmeteorologie; Klima- und Lufthygienekarten für Städte und Regionen“ dienten zur Bestandsaufnahme und Analyse der aktuellen Situation. Weitere Richtlinien zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz, wie die VDI 3957 Blatt 20 „Kartierung von Flechten zur Ermittlung der Wirkung von lokalen Klimaveränderungen“ flossen in das Klimaanpassungskonzept ein. „Ohne die Richtlinien aus der Reihe VDI 3787 wäre es zum Beispiel unmöglich gewesen, unsere neue Klimaanalyse in dieser Qualität zu erstellen“, so Elke Cardeneo. Sie freute sich, die für dieses Regelwerk verantwortlichen VDI-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter persönlich kennen zu lernen.
„Es macht stolz und motiviert für die weitere Arbeit, wenn wir sehen, wie wichtig unsere Richtlinien und Publikationen für den Klimaschutz sind und wie sie in der Praxis angewendet werden“, so das Fazit der 14 Kolleginnen und Kollegen der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft und der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt, die den Klimaspaziergang gemeinsam unternommen hatten. Selbst Bereichsleiter Dieter Westerkamp war von der Idee des Klimaspaziergangs so begeistert, dass er es sich trotz vollem Terminkalender nicht hatte nehmen lassen, ebenfalls dabei zu sein.
Klimaanpassungsmaßnahmen im Überblick
Das Phänomen „Wärmeinsel“, als typisches Merkmal des Stadtklimas mit insbesondere im Sommer höheren Temperaturen als im Umland, nimmt aktuell circa zehn Prozent der Düsseldorfer Stadtfläche ein. An neun Stationen im Innenstadtbereich stellte Elke Cardeneo dem VDI-Team beispielhaft Klimaanpassungsmaßnahmen vor, die helfen sollen, die negativen Klimaveränderungen abzufedern:
- Stadtbaumkonzept: Bäume übernehmen als Klimaanapassungsmaßnahme eine Schlüsselrolle. Sie spenden Schatten und dienen als Lebensraum für zahlreiche tierische Stadtbewohner. Bestehende und schon klimageschädigte Bäume werden sukzessive durch sogenannte Zukunftsbäume, beispielsweise die ungarische Silberlinde, die Purpurerle oder den Lederhülsenbaum ersetzt. Zukunftsbäume sind im Vergleich zu vielen Bestandsbäumen winterhart, hitze- und trockenheitsresistent, außerdem sind sie hervorragende Bienenweiden.
- Jährliche Ermittlung von Klimagewinnern- und -verlierern im Tier- und Pflanzenreich: Gewinner sind aktuell die Sittiche, insbesondere begünstigt durch die milden Winter. Sie finden sich allabendlich in den Bäumen um die Königsallee ein. Zu den Verlierern zählen die Kastanien, die, begünstigt durch Hitze- und Trockenheitsstress vermehrt von Schädlingen, wie der Miniermotte, befallen werden.
- Rasengleise: In Düsseldorf gibt es 33 Kilometer Rasengleise, also Gleise, in denen im Gleisbett kein Schotter liegt, sondern Gras wächst. Das entspricht zehn Prozent der Gesamtgleislänge. Rasengleise nehmen Regen auf und kühlen dadurch die nahe Umgebung und damit auch das Gleisbett. Sie reduzieren Temperaturunterschiede und Lärm. Positiver Nebeneffekt: die Lebensdauer der Gleise wird erhöht. Die Zusatzkosten für ein Kilometer Rasengleis betragen etwa 300.000 Euro zuzüglich 5.000 bis 6.000 Euro pro Jahr für deren Pflege.
- Intensivierung der Dach- und Innenhofbegrünung: Bei neuen Bebauungsplänen wird die Dach- und Tiefgaragenbegrünung vorgeschrieben, eine Kombination mit Fotovoltaik ist möglich und gewünscht. Außerdem fördert die Stadt die Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung. Aktuell sind in Düsseldorf Dächer und Tiefgaragen in der Größe von 300 Fußballfeldern begrünt, unter anderem am Kö-Bogen I und II. Hier wurde sogar ein Siegel für nachhaltiges Bauen vergeben.
- Wasserstellen: Es gibt sie großflächig in verschiedenen Ausprägungen der Düssel sowie in Form von Trinkbrunnen und Wasserspielen: Aktuell stehen in Düsseldorf 13 Trinkbrunnen – die meisten im Innenstadtbereich – weitere sollen folgen. Die Kosten belaufen sich durchschnittlich auf etwa 25.000 Euro pro Stück. Bei den Wasserspielen, zum Beispiel vor dem Schauspielhaus, wechseln sich Fontänen und Vernebelung ab. Kombiniert mit hellen Pflastersteinen mit geringerer Strahlungsreflektion gestalten sie den Aufenthalt auf Düsseldorfs Plätzen und Einkaufsstraßen im Hochsommer deutlich angenehmer.
Bestehende, großflächige Wasserstellen, wie der Wassergraben auf der Königsallee und die von der Düssel gespeisten Seen im Hofgarten zeigen eine deutliche Kühlwirkung: hier kann die gefühlte Temperatur tagsüber im Sommer fünf bis zehn Grad niedriger liegen, als in den hochversiegelten Bereichen der Innenstadt. - Renaturierung und Offenlegung von Gewässern: Von den 140 Kilometer innerstädtischen Gewässern sind schon ein Viertel renaturiert und offengelegt. Dabei gilt es im Hofgarten, die Denkmalschutzaspekte zu beachten.
Der Rhein, der sich mit einer Länge von 42 Kilometer durch Düsseldorfer Stadtgebiet zieht, sorgt nachts zwar für eine gute Durchlüftung, allerdings im Sommer nicht unbedingt für eine Abkühlung der Stadt. So ist der Medienhafen trotz direkter Rheinlage einer der heißesten Orte in Düsseldorf. Seine enge Bebauung und die hohe Flächenversiegelung sind für diesen negativen Spitzenplatz verantwortlich.
„Düsseldorf muss von innen kühlen“
- Klimaanalyse: Alle fünf Jahre wird eine Klimaanalyse durchgeführt. Für die Klimaanalyse 2020 wurden Luftströme und Temperatur erstmals modelliert und mit Messwerten – beispielsweise durch Kaltluftmessung mithilfe von Drohnen – untersetzt. Eine Erkenntnis daraus: Der Hofgarten trägt genauso zur Kühlung bei, wie begrünte Innenhöfe. Eine Innenverdichtung wäre hier aus klimatischer Sicht kontraproduktiv.
Die Klimamodellierung hat außerdem widerlegt, dass – wie ursprünglich angenommen – die Kaltluftzufuhr nachts vom Umland über die Bahntrassen in die Stadt gelangt und Düsseldorf so von seiner Umgebung her gekühlt wird. Elke Cardeneo betont daher: „Das Wichtigste für uns ist, dass Düsseldorf von innen kühlen muss, und dafür sind die innerstädtischen Grünflächen wichtig, aber auch kleine Inseln wie begrünte Innenhöfe oder Dächer, die lokal zur Kühlung beitragen können.“ - Nachhaltige Gebäudekühlung: Das heißt, Kühlung möglichst ohne Klimaanlagen! Stattdessen kommen geeignete Außenwandkonstruktionen in hellen Farben, Begrünung, Dämmung und Dachbepflanzung zum Einsatz, um zukünftiges urbanes Leben ohne zusätzlichen Energieaufwand erträglich zu machen.
- Monitoring für den Klimawandel: Seit über 20 Jahren werden an rund 200 Bäumen im Düsseldorfer Stadtgebiet Flechten kartiert. Da diese sehr sensibel und schnell auf Veränderungen ihrer Umgebungsbedingungen reagieren, eignen sie sich als Klimawandelzeiger. Das sogenannte Biomonitoring erleichtert für Bürgerinnen und Bürger den Zugang zur komplexen Thematik der Klimaveränderungen. Durch die Flechtenkartierung konnte der Wert kleinerer innerstädtischer Grünoasen nachgewiesen werden, da hier auch Arten vorkommen, die eigentlich urbanophob sind.
- Klimaanpassung in Planungsverfahren: Das Düsseldorfer Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz wird bei Bauleitverfahren beteiligt. Noch haben jedoch häufig gegenläufige Interessen, wie Verkehr und Lärmbekämpfung oder der Denkmalschutz mehr Gewicht. Elke Cardeneo appelliert: „Eine Verschiebung der Prioritäten zugunsten von Klimaschutz und -anpassung drängt“. Innovative Ideen, wie sie zum Beispiel im „Blaugrünen-Ring“ enthalten sind, dürften keine Entwürfe bleiben. Blau steht dabei für den Rhein, grün für ein bogenförmiges Band von durchgehenden Grünflächen.
Fast genauso wichtig wie die konsequente Umsetzung ist es, die Akzeptanz für die Klimaanpassungsmaßnahmen in der breiten Öffentlichkeit zu stärken: Hier ist noch viel Luft nach oben, denn den Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürgern sind oft wohnortnahe Parkplätze wichtiger als der Baum vor dem Fenster.
Kommentare
Inzwischen hat 1 Leser einen Kommentar hinterlassen.Liebe Frau Quack, rechnen Sie alleine mal die Heizleistung von vielen hunderttausenden Menschen mit einer Körpertemperatur von 36,5 °C in einer Stadt. Dazu die notwendigen täglichen lebenserhaltenden existenzsichernden Energieverbräuche durch Arbeit und Bewegung, Transport und Versorgung, medizinische Leistungen und viele Leistungen anderer Art. Die Unterbringung von Menschen in nicht artgerechter Haltung, dazu noch in Flachdachhäusern (Walter Gropius), wobei das oberste Geschoss im Winter zu kalt und im Sommer zu warm nicht artgerecht ist. Eine Stadt kann nie energie -und überlebensautark werden, weil die Fläche fehlt. Städte leben nur vom Umland, sind also nicht "schlau", weil nicht unabhängig. Städte müssen zurückgebaut werden, weil Sie ohne fossile Energien nicht überleben können und die Ernährung der Bewohner nicht möglich ist. Ideologie ist hier auch wiederum nicht zielführend. Wie wäre es mit mehr Vermehrungsgerechtigkeit der Völker (Club of Rome)?
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