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Gehen wir mal davon aus, dass die Heizungsanlage ordnungsgemäß hydraulisch abgeglichen und instandgehalten ist. Dann ist weniger Heizen die einzige Möglichkeit, Energie einzusparen. Die Raumtemperaturen nachts oder während Abwesenheiten abzusenken, bedeutet keinen Komfortverlust. Man muss nur die Heizung rechtzeitig wieder aktivieren, damit es zum Frühstück oder bei der Rückkehr aus dem Urlaub wieder kuschelig warm ist.
Viele haben sich deswegen schon mit elektronischen Heizkörperthermostaten ausgestattet, die diese Aufgabe automatisch, zeitgesteuert übernehmen oder die sich über Smartphone-Apps von unterwegs steuern lassen. Aber nun, Heizkörperthermostate auch tagsüber ein oder zwei Grad runterstellen – und dafür einen Pulli tragen? Okay, das ist dann schon mit etwas Komfortverlust verbunden. Aber Komfort gleich Geld? Und wir wollen sparen? Also los, machen wir! Und zack, mal eben circa fünf Prozent der Kosten je Grad Reduzierung gespart.
Einfach mal die Temperatur heruntersetzen?
Wo wird noch Energie verbraucht? Ach ja: Warmwasser. Da ist so ein Speicher, in dem ständig Wasser auf einer Temperatur von 60 Grad Celsius vorgehalten wird, damit beim Öffnen eines Warmwasserhahns quasi sofort warmes Wasser zur Verfügung steht. Denn wer möchte schon gerne eine halbe Minute darauf warten? Aber Moment! 60 Grad Celsius? Das ist doch verdammt heiß. So heiß duscht doch keiner. Also mal runterdrehen?
Bitte nicht! Denn die60-Grad-Speichertemperatur ist erforderlich, damit die Installation nicht verkeimt. Das heißt: Trinkwasser ist nicht steril. Das muss es auch nicht sein, da geringe Konzentrationen von Mikroorganismen für „normal gesunde“ Menschen unbedenklich sind. Aber Mikroorganismen können sich unter für sie günstigen Bedingungen rapide vermehren – bis hin zu Konzentrationen, bei denen sie uns gefährlich werden. Besonders schlimm sind Legionellen. Sie führen mit recht hoher Wahrscheinlichkeit zu gravierenden Gesundheitsschäden – vielfach bleibend, und oft sogar zum Tod.
Wann sich Legionellen im Trinkwasser vermehren
Legionellen können sich im Trinkwasser bei Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius bedenklich vermehren. Ab 50 Grad Celsius nimmt die Vermehrungsrate rapide ab, bei 70 Grad Celsius sterben sie wieder ab. Allerdings nur, wenn die 70 Grad Celsius auch eine gewisse Zeit einwirken. Das klingt auf den ersten Blick so, als wären 50 Grad Celsius doch eine prima Warmwassertemperatur. Aber man muss schon zwischen Forschungsergebnissen in der Petrischale und einer tatsächlich existierenden Trinkwasser-Installation unterscheiden.
Auf den zweiten Blick wird klar, warum das mit 50 Grad Celsius im Speicher nicht hinhaut: Bei dieser Speichertemperatur findet im Speicher kaum eine Vermehrung von Legionellen statt, allerdings auch keine Abtötung. Die 50 Grad Celsius liegen jedoch sicher nur an der Messstelle im Speicher vor, aber ganz sicher nicht mehr in den Leitungen im Bad in der ersten Etage. Überall außerhalb des Speichers ist es kälter. In großen Teilen der Installation liegen also Temperaturen vor, bei denen sich Legionellen ganz hervorragend vermehren.
Forscher suchen nach Möglichkeiten, Energie zu sparen
Insbesondere die TU Dresden forscht seit längerer Zeit nach Möglichkeiten, die ungeliebten 60 Grad Celsius reduzieren zu können, um Energie einsparen zu können. Anders als im mikrobiologischen Labor hat sie die Vermehrung von Legionellen in der Realität nachempfundenen Trinkwasser-Installationen untersucht und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass es bei den 60 Grad Celsius bleiben muss.
Die TU Dresden untersucht aktuell auch noch andere Ansätze: Man könnte ja die Vermehrung von Legionellen in bestimmten Teilen der Installation zuzulassen, wenn ausgeschlossen wird, dass diese bis ins entnommene Wasser vordringen. Hersteller bieten zu diesem Zweck Ultrafiltrationsanlagen an. Das diesbezügliche Forschungsvorhaben läuft noch, und die Ergebnisse werden im Jahr 2023 erwartet.
Vertragliche Aspekte
Derzeit gelten aber die aktuellen technischen Regeln, vor allem DVGW W 551 (A) und VDI 6023 Blatt 1, die eine Speichertemperatur unter 60 Grad Celsius nicht zulassen. Mit anderen Worten: Wer als Vermieter die Trinkwasser-Speichertemperatur senkt, handelt regelwidrig. Kommt es zu Personenschäden, steht möglicherweise die Staatsanwaltschaft auf der Matte. Auch als alleiniger Bewohner einer eigenen Immobilie ist man immer noch verpflichtet, Besucher zu schützen.
Darüber hinaus hat ein Hausbesitzer, der vom Wasserversorger Trinkwasser bezieht, einen Vertrag mit dem Wasserversorger. Dieser verpflichtet ihn nach den Vertragsbedingungen (nachzulesen in der AVBWasserV), schädliche Rückwirkungen der Hausinstallation auf das Versorgungsnetz zu verhindern. Aus diesen Vertragsbedingungen ergibt sich beispielsweise auch, dass nur qualifizierte Personen (Fachbetriebe) an der Trinkwasser-Installation arbeiten dürfen. Treten durch eigene Bastelei oder anderweitige unsachgemäße Eingriffe schädliche Rückwirkungen auf das öffentliche Versorgungsnetz ein, haftet der Anschlussnehmer.
Eine Frage der Gewohnheit und des Komforts
Was aber tun, um trotzdem Energie für die Wassererwärmung einzusparen? Da hier hilft vorerst nur eines: Erwärmtes Trinkwasser einsparen. So gibt es beispielsweise aus hygienischer Sicht (siehe auch https://blog.vdi.de/haendewaschen-kann-doch-jedes-kind) keinen Grund, sich die Hände warm zu waschen. Gleiches gilt, auch wenn das etwas mehr Überwindung kosten könnte, fürs Duschen. Shampoo mit kaltem Wasser aus langen Haaren auszuwaschen, das ist allerdings eine ganz besondere Übung. Nun, beides ist eine Frage der Gewohnheit und des Komforts, aber eben nicht der Hygiene.
Der Gesetzgeber hat in zwei „Notstandsverordnungen“, EnsikuMaV und EnsimiMaV zu kurz- bzw. mittelfristigen Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung, Vorgaben für Energiesparmaßnahmen gemacht. In diesen Verordnungen wird auch herausgestellt, dass Energieeinsparung nicht auf Kosten der Gesundheit gehen darf, zum Beispiel in der EnsikuMaV, §2, Abs. 2, Nr. 4: die Absenkung der Warmwassertemperaturen unter Berücksichtigung geltender Regelungen zum Gesundheitsschutz.
Fazit
Energie einsparen hat hohe Priorität, aber sich zu Tode sparen ... – hm, das ist der falsche Ansatz. Energie sparen muss man wollen und gegebenenfalls bewusst Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Das sollte man jedoch nicht bei Gesundheitsaspekten tun. Und man darf es nicht tun, wenn andere Personen Schaden nehmen könnten. Am Trinkwasser, einem Lebensmittel, arbeiten darf nur geschultes Personal, etwa in einer VDI-Partnerschulung geschulte Personen mit einer VDI-Urkunde mindestens der Kategorie B nach VDI-MT 6023 Blatt 4. Und sollte einem der Heizungs-Installateur als Energiespartipp mitgeben, das Trinkwasser bräuchte doch gar nicht so heiß zu sein, dann sollte man lässig die Worte „Legionellen“, „VDI 6023“ und „DVGW W 551“ fallen lassen – und sich einen anderen Installateur zu suchen, das ist auch ratsam.
Kommentare
Inzwischen haben 6 Leser einen Kommentar hinterlassen.Es wäre schon interessant, was nun gilt. mit den Wärmepumpen kostet es extrem viel Energie und Geld bis 60 °C hoch zu heizen. da machen viele 40 °C für den Warmwasserspeicher.
Es gibt tatsächlich auch Millionen von Menschen, die in der Stadt über 50 km/h fahren, und es passiert MEISTENS nichts. Damit wird es aber nicht richtiger und weniger riskant. Diese Diskussion ist nicht hier zu führen. Ich beschreibe im Artikel den Stand des Regelwerks und erkläre die Gründe. Wenn die Fachleute in den Regelsetzungsgremien die Festlegungen ändern, beschreibe ich gerne den neuen Stand und die Gründe, die zur Änderung geführt haben.
Ob eine Absenkung als fahrlässig zu bewerten ist, ist ebenfalls eine Bewertung, die ich nicht pauschal abgeben möchte. Das tut, wenn es zum Rechtsstreit kommt, ein Gericht - auf Basis u.a. des Regelwerks, aber ggf. auch auf Basis eines Gutachtens für den INDIVIDUELLEN Fall. Denn Mikrobiologie ist ein komplexes Geschehen. Was bei dem einen funktioniert, kann bei dem anderen schiefgehen. Genau aus diesem Grund gibt man Grenzwerte, technische Maßnahmenwerte usw. an: Die "Weisen" schätzen, dass das Restrisiko gering ist, wenn man diese Werte - 50 km/h innerorts, 55/60 °C im erwärmten Trinkwasser - einhält.
Vielen Dank für diesen interessanten und gut geschriebenen Artikel, Herr Wollstein! Ich finde die Frage von Gradl Franz sehr interessant. Auch wenn hier keine neue Bewertung der Praxis zwischen Temperaturen von > 60 °C und ca. 50 °C zu wechseln vorgenommen werden muss, bleibt für mich die Frage, ob es eine kurze Antwort gibt, ob diese Praxis laut Regelwerk zulässig oder fahrlässig ist.
Habe leider keinen Zugang zu Erkrankungsstatistiken durch Legionellen, Einbeziehung in die Diskussion sehe ich jedoch als erforderlich an, da mir kein Fall bekannt ist.
Dieses Argument ist nicht hier zu bewerten. Das haben die Fachleute in den Ausschüssen von VDI, DIN und DVGW in verschiedenen Ausschüssen in Kenntnis von Studien und umfangreichen Erfahrungen getan und nach den Erkenntnissen die jetzt geltenden Vorgaben in Regelwerken niedergelegt. Es fahren auch immer wieder Menschen ohne Sicherheitsgurt und haben Glück. Trotzdem gibt es eine Gurtpflicht. Wer Glück hat, darf dankbar sein. Es gibt allerdings keine Garantie, dass das Glück ewig anhält. Genau so ist es hier: Wer die Vorgaben missachtet und Glück hat, möge sich freuen. Aber wenn es einen Schadensfall (Vermögens- oder Personenschaden - beides kann passieren) gibt und man nicht nachweisen kann, dass die Vorgaben eingehalten wurden, dann möchte ich nicht in der Haut des Verantwortlichen stecken.
Es gibt gewiss noch Millionen von Warmwassererzeugern bei denen es so ist,
dass nur einmal in der Woche der Boiler auf gut über 60 Grad Celsius erhitzt wird, in der s.g. Legionellenschaltung. Während der anderen Zeit ist die Boilertemperatur deutlich unter 60 Grad Celsius. Das war und ist immer noch die Praxis, ist meine Meinung. Dieses Argument wurde leider nicht behandelt. Die Frage ist daher: Ist es nicht ausreichend, wenn bei o.g. höheren Aufheizung gleichzeitig die Spülung aller Leitungen durchgeführt wird?
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