Als ehemalige Leiterin des Fachbereichs „Energietechnik“ der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt hat sie schon vor über zehn Jahren begonnen, die Sektorenkopplung voranzutreiben – und stellt bald fest: Ohne Power-to-X geht es dabei nicht. 

Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme in einer sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) ist effizienter als die getrennte Erzeugung. Das ist schon länger bekannt. Werden solche KWK-Anlagen derzeit vor allem mit Erdgas betrieben, liegt die Zukunft hier insbesondere bei den biogenen Gasen. Relativ neu hingegen sind die Begriffe Sektorenkopplung und Power-to-X.

Die Kopplung der Sektoren lässt sich durch verschiedene Technologien umsetzen. Die Power-to-X-Technologie (PtX) wird dabei immer bedeutsamer: „P“ steht für elektrischen Strom und „X“ für ein Produkt, einen Energieträger oder einen Sektor, wie beispielsweise Power-to-Gas, Power-to-Heat, Power-to-Liquids oder Power-to-Chemicals. Durch die Umwandlung von „Power“ in „X“ wird regenerativer Strom für längere Zeit gespeichert. Das ist wichtig für die Entkopplung der Stromerzeugung vom Strombedarf.

Auch der Fachausschuss „Regenerative Energien“ der VDI-Gesellschaft „Energie und Umwelt“ (VDI-GEU) unter Leitung von Dr. Eleni Konstantinidou und dem Vorsitz von Professor Martin Kaltschmitt, Technische Universität Hamburg, erkennt sehr früh die Notwendigkeit, die volatilen erneuerbaren Energien in das Energiesystem zu integrieren und die verschiedenen Sektoren wie Strom, Wärme und/oder Mobilität miteinander zu koppeln.

Eleni Konstantinidou erinnert sich: „Im Jahr 2017 kontaktierte mich Professor Michael Sterner, OTH Regensburg, der zusammen mit Professor Christian Dötsch, Fraunhofer Umsicht den Vorsitz des VDI-Fachausschusses `Energiespeicher´ innehat. Sterner stellte einen Antrag zur Erstellung einer Richtlinie zum Thema Biologische Methanisierung, also Gaserzeugung mittels methanogener Archaeen-Mikroben.“ 

Schnell hat man innerhalb der VDI-GEU die Notwendigkeit gesehen, das Thema um die chemische Methanisierung, den sogenannten Sabatier-Prozess, zu erweitern. Der Richtlinienausschuss VDI 4635 unter Vorsitz von Professor Rolf Bank, MAN Energy Solutions, wird gegründet und legt die Struktur der Richtlinienreihe VDI 4635 „Power-to-X“ fest – alle Einzelprozesse und alle Prozessketten sollen betrachtet werden: Power-to-Gas, Power-to-Liquids, Power-to-Solids. 

Der Richtlinienausschuss VDI 4635 startete seine Arbeit im Jahr 2018 mit circa 15 Expertinnen und Experten. Nur drei Jahre später arbeiteten bereits über 130 Personen in mehreren parallelen Ausschüssen an den zahlreichen Richtlinienblättern, unter anderem zur Methanisierung, zur Bereitstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse, Ammoniaksynthese, Bereitstellung von Kohlenstoffoxiden und zu flüssigen Kohlenwasserstoffen. Im Jahr 2021 kommt die Arbeitsgruppe „Systemische Aspekte von PtX“ dazu. Schwerpunkt ist es, die verschiedenen PtX-Prozesse auf der Grundlage geeigneter Systemgrenzen und -parameter anzupassen sowie diese anhand definierter Multikriterien miteinander vergleichen zu können.

Wer kennt sie besser als Eleni Konstantinidou? Sie nennt vor allem die folgenden Punkte:

• die Besetzung der VDI-Fachgremien (Richtlinienausschuss VDI 4635, Fachausschüsse, Beiräte) mit exzellenten Expertinnen und Experten,
• die schnelle Umsetzung einer Richtlinienidee dank genau festgelegter Prozesse,
• die Möglichkeit des VDI, die Richtlinienarbeit in einem gewissen Rahmen vorfinanzieren zu können,
• die Vertrauenskultur im VDI, in der nicht jeder Arbeitsschritt kritisch hinterfragt wird, solange die Arbeitsprozesse eingehalten werden, und nicht zuletzt 
• ihre eigene Motivation und ihr Einsatz als Hauptverantwortliche für die Richtlinienreihe.

In der Tat: Eleni Konstantinidou ist als Pionierin in der Standardisierung dieser zukunftsträchtigen Technologie im VDI von Beginn an als treibende Kraft dabei. „Wenn die VDI 4635 in die europäische und internationale Normung übernommen wird oder sie zumindest beeinflusst, das wäre die Krönung unseres Engagements!“, hofft sie ungemein.

Sie werde oft gefragt, warum sie als Rentnerin immer noch Interesse an der Energietechnik im Allgemeinen und diesem Thema im Speziellen habe. Dazu zitiert sie Solon, einen der wichtigsten Philosophen im antiken Athen: „Γυρασκω αει διδασκομενος“, was frei übersetzt so viel bedeutet wie „Lernen ist ein ständiger Begleiter des Älterwerdens“.

Infiziert habe sie das „Virus“ der regenerativen Energien und des Umweltschutzes bereits während des Maschinenbau-Studiums an der Universität Stuttgart. „Somit ist es das einzige Virus, von dem ich mich auch im Alter weiterhin gerne infizieren lasse“, schmunzelt Konstantinidou, „es erfüllt mich mit Freude, zu sehen, wie sich die anfänglichen Ideen und Projekte trotz teilweise massiver Widerstände zur energiepolitischen Agenda von Regierungen weltweit entwickelt haben.“

Die Herausgabe des ersten Richtlinienblatts der Reihe VDI 4653 kann Eleni Konstantinidou zwar nicht mehr als aktive VDI-Mitarbeiterin ankündigen, sie freut sich aber mit ihrer Nachfolgerin in der VDI-GEU, Hanna Seefeldt: Die Richtlinie "VDI 4635 Blatt 3.3 „Power-to-X - Methanisierung - Systemparameter und Messgrößen“ ist im April 2022 als Entwurf erschienen.

Bei der Richtlinienerstellung zu PtX wird der VDI von der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA) unterstützt. Ein intensiver Austausch besteht mit dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), um die inhaltliche Arbeit im Bereich der Standardisierung abzustimmen und die Begrifflichkeiten zu harmonisieren, mit der Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in VDE sowie mit DIN Deutsches Institut für Normung. Einen genauen Überblick über Struktur und Inhalt der verschiedenen Richtlinienausschüsse gibt die VDI-Agenda „Sektorenkopplung mit Power-to-X“. Darüber hinaus stellt die Richtlinienreihe VDI 4635 „Power-to-X“ einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität und Nachhaltigkeit des gesamten Energiesystems dar.