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Fangen wir mit der zugegebener Maßen recht sperrigen Definition der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) an: „Nachhaltiges Reisen berücksichtigt die gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen, um den Bedürfnissen der Besucher, der Industrie, der Umwelt und der gastgebenden Gemeinschaften gerecht zu werden.“
„Die schönste Zeit des Jahres“ kostet viel ...
Gemeint ist, dass nachhaltiges Reisen nicht nur zu einem genussvolleren Unterwegs-Erlebnis führt, sondern Arbeitsplätze schafft, das Wohlbefinden der Menschen vor Ort verbessert und die Natur sowie die Kultur schützt. Und das wird zunehmend wichtiger, unternehmen allein wir Deutschen laut Angaben des Umweltbundesamts jährlich aktuell 70 Millionen längere Reisen ab fünf Tagen – da kommt schon einiges zusammen an CO2-Ausstoß, Müll und verbrauchten Ressourcen für „die schönste Zeit des Jahres“.
Schonender und rücksichtsvoller lassen sich unsere Reiseerlebnisse nur gestalten, wenn wir nachhaltig unterwegs sind. „Am nachhaltigsten ist es doch, zuhause zu bleiben“, werden Sie jetzt sagen. Das ist sicher richtig, aber wenn es mich nun doch in die Ferne zieht? Oder vielleicht nur von den Alpen an die Nordsee, weil ich da einfach besser abschalten kann als im heimischen Garten? Was sollte ich als verantwortungsbewusst reisende Person beachten?
Umdenken bildet die Basis

Nachhaltigkeit beim Reisen erschöpft sich nicht darin, klimafreundliche Verkehrsmittel zu wählen – sie umfasst vielmehr ein Umdenken und nachfolgendes Handeln in den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Dabei stehen diese Dimensionen nicht nebeneinander, sondern sind ganzheitlich und integriert zu sehen: Nachhaltiges Reisen unterstützt die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030:
die Sustainable Development Goals.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts, beauftragt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, werden seit 2014 Daten zum nachhalten Reiseverhalten von Deutschen gesammelt. Es zeigt sich eine insgesamt positive Einstellung zu Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen: Rund zwei Drittel der Bevölkerung finden dies wichtig – Tendenz steigend.
Die Idee des nachhaltigen Reisens ist übrigens nicht neu. Schon seit 30 Jahren existieren hierfür unterschiedliche Begriffe, wie `sanfter Tourismus´, `intelligenter Tourismus´, `Tourismus mit Verantwortung´. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist seit der UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro als Konzept im Tourismus verankert und gilt gleichermaßen für den Massen-, wie den Individualtourismus. Wer nachhaltig reist, erfüllt nicht nur seine eigenen Ansprüche, sondern respektiert auch die der Bevölkerung im Reiseland und berücksichtigt ökologische, ökonomische und soziale Auswirkungen des Reisens.
Was heißt das in der Praxis?
Dazu einige Tipps und Hinweise, wie nachhaltiges Reisen gelingt:
- Fernreisen vermeiden: auch in einem Umkreis von 1.000 Kilometern liegen Urlaubsziele, die Erholung, Abenteuer, Wälder, Berge, Strand und jede Menge Sehenswürdigkeiten bieten.
- Entfernungen bis 1.000 km innerhalb Deutschlands und Europas mit der Bahn, dem Fernbus oder alternativ einem vollbesetzten Auto zurücklegen.
- Auf Flugreisen verzichten, vor allem für Kurzstrecken. Wer im Urlaub dennoch abheben will, kann sich direkt bei der Buchung für freiwillige Kompensationszahlungen entscheiden. Mit diesem Geld werden Klimaschutzprojekte finanziert, in denen die entsprechende Menge an Treibhausgasen eingespart wird.
- Keine Kreuzfahrten unternehmen: Sie haben ebenfalls mit nachhaltigem Reisen (noch) nichts gemein. Die Einsicht der Kreuzfahrtbranche, hier mehr tun zu müssen, setzt sich erst langsam durch.
- Seltener in den Urlaub fahren und dafür länger bleiben.
- Länder meiden, in denen Unterdrückung herrscht, wo Menschen und Umwelt ausgebeutet und Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
- Rücksichtsvoll mit der örtlichen Natur umgehen, keine „Andenken“ mitnehmen, keinen Müll zurücklassen, Schutzzonen respektieren.
- Menschen im Urlaubsland respektvoll behandeln und religiöse Grundsätze achten.
- Umweltfreundlichere Urlaubsmöglichkeiten entdecken, wie beispielsweise Radreisen oder Wanderurlaub – zu Lande und zu Wasser.
Und das heißt auch sogar ...
- Im Urlaub genauso ressourcenschonend handeln wie zuhause; zum Beispiel sparsam mit Wasser und Strom umgehen, Mehrwegverpackungen verwenden.
- Unterkünfte und Gastronomie wählen, die
- ihren Energiebedarf zumindest zum Teil mit erneuerbaren Energien decken und ihrem Personal faire Arbeitsbedingungen bieten,
- zum Kochen regionale, weitgehend pflanzenbasierte Zutaten verwenden und vielleicht sogar selbst anbauen, sonst möglichst aus biologischer oder anderer verantwortungsvoller, bestandserhaltender Produktion,
- das Müllaufkommen verringern und zum Recycling beitragen,
- ein ökologisch vertretbares Abwassermanagement haben,
- auf häufigen Handtuch- und Wäschewechsel bewusst verzichten,
- wenn überhaupt, Pflegeprodukte in nachfüllbaren Gefäßen anbieten und
- sich in jeder Weise harmonisch in die Umgebung einfügen. - Vor Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder sich zu Fuß fortbewegen anstatt ein Auto oder Motorrad zu leihen.
- Auf emissionsintensive Sportarten verzichten.
- Beim Wintersport Skigebiete meiden, die Schneekanonen einsetzen, keine künstlich bewässerten Golfplätze bespielen.
- Nachhaltig produzierte (Funktions-)Kleidung und Reiseaccessoires verwenden.
- Nur das Nötigste mitnehmen und beispielsweise Sonnenschirme und Sportausrüstung vor Ort leihen, statt sie als Sperrgepäck aufzugeben.
- Vor Abreise zuhause unnötige Stromverbraucher ausschalten.
Nachhaltigkeitssiegel dienen der Orientierung
Eine Orientierung bei der Auswahl der Reise bieten Nachhaltigkeitssiegel, angelehnt an die verschiedenen, oben beschriebenen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Vergeben werden diese Siegel sowohl von staatlichen Behörden, Tourismusverbänden und Verlagen, aber auch von Non-Profit-Organisationen oder privaten Unternehmen. Dass hier unterschiedliche Schwerpunkte und vor allem eine unterschiedliche Gewichtung bei der Vergabe zum Tragen kommen, liegt auf der Hand.
Für eine größtmögliche Transparenz sei statt blindem Vertrauen daher vor der Buchung unbedingt ein Blick auf die Zertifizierungskriterien der verschiedenen Siegel empfohlen. Neben den großen, wie Travelife, Green Globe oder TourCert, gibt es zusätzlich länderspezifische Nachhaltigkeitssiegel, beispielsweise Viabono für Deutschland.
Nachhaltig reisen ist also gar nicht so schwer und leistet außerdem einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Und das wird in Zukunft ohne Zweifel immer bedeutsamer, wird sich doch auch die Tourismuswirtschaft auf die veränderten Rahmenbedingungen in Folge des Klimawandels einstellen und entsprechend anpassen müssen.
Kommentare
Inzwischen hat 1 Leser einen Kommentar hinterlassen.Sehr gut zusammengefasst! Jeder kann etwas zum Klimaschutz beitragen - jede vermiedene Emission zählt - jede gesparte KWh muss nicht produziert werden. Eines sollte noch erwähnt werden, wählen Sie Restaurants wo viele pflanzenbasierte Gerichte auf der Karte stehen - und wählen Sie diese Gerichte. Das animiert die Gastgeber auf dem nachhaltigen Pfad zu bleiben, und es bringt neue Geschmackserlebnisse. Denn gerade im Urlaub wollen viele aus dem Alltag flüchten. Viel Vergnügen!
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